Wenn schon neu, dann auch nachhaltig!

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Wenn schon neu, dann auch nachhaltig!

Club | Mobilität 

halle 02 Heidelberg

Die halle 02 hat sich vom der alternativen Feierlocation zu einer echten Instanz in Heidelberg entwickelt. Als der Club kurz vor dem Aus stand wurde er durch eine grundlegende Sanierung gerettet. Dieser Einschnitt wurde zur Chance, um baulich, wie auch auf weiteren Ebenen an der nachhaltigen Neuausrichtung zu arbeiten.

Der Musikclub halle 02 Heidelberg liegt mitten in einer der Heidelberger Bahnstadt, eine der größten Passivhaussiedlungen der Welt (vgl. Heidelberg Bahnstadt, 2023). Der Club entstand 2002 als kreative Umnutzung auf dem Gelände eines alten Güterbahnhofs „im Niemandsland zwischen US-Militärgelände, Gartencenter und Bordell“ (vgl. halle02, 2023a). Bereits einige Jahre später drohte der Club auf Grund der massiv einsturzgefährdeten Immobilie zu schließen. Mit dem Kauf des Areals durch die Stadt Heidelberg wurde die Sanierung der halle 02 beschlossen (vgl. Wikipedia, 2020) 

Die Sanierungsmaßnahmen boten Anlass, sich Gedanken über die zukünftige Ausrichtung zu machen und wurden so zum Beginn des Nachhaltigkeitsprozesses des Clubs, so Felix Grädler, Geschäftsführer der halle 02. Nachhaltigkeit wurde dabei nicht nur ein Kriterium bei der Gebäudesanierung, sondern bewusst zu einem Grundwert des Clubs erklärt und sollte auch auf anderen Ebenen zum Ausdruck kommen.  

Dafür wurden verschiedene Beratungsangebote in Anspruch genommen. So etwa eine Energieberatung, die für das „Green Club Index“ Label der Green Music Initiative erforderlich ist (vgl. Green Club Index, 2023). Dieses Label wurde dem Club 2014 verliehen. 2018 folgte die Teilnahme am Projekt „Nachhaltiges Wirtschaften“ der Stadt Heidelberg (vgl. halle02, 2023b), bei dem kleinen und mittelständischen Unternehmen bei der Einführung von Umweltmanagementsystemen unterstützt werden (vgl. Heidelberg, 2023). Im Herbst 2023 steht eine CO2 Bilanzierung im Rahmen eines Kooperationsprojektes des Green Culture Index und des Aktionsnetzwerk Nachhaltigkeit an. Eine Nachhaltigkeitsstrategie wurde bereits erarbeitet. Grädler möchte die CO2 Bilanz als Datengrundlage für eine konkrete und überprüfbare Zielsetzung nutzen. Einmal gelernt wie, soll in Zukunft jährlich bilanziert werden.  

Publikumsbefragungen bringen das Mobilitätskonzept voran

Ein Schwerpunkt der Strategie betrifft die Mobilität, die einen Großteil der Emissionen von Kulturinstitutionen ausmacht. Bei Musikspielstätten entstehen nach eigenen Angaben 70% der Emissionen durch die An- und Abreise des Publikums (vgl. halle02, 2019).

Es besteht bereits eine Kooperation mit dem örtlichen Verkehrsverbund, sodass bei allen von der halle 02 selbst veranstalteten Events die Nutzung des ÖPNV im Ticket inbegriffen ist. Bei Events externer Veranstalter:innen gelinge das noch nicht immer.Um das Mobilitätskonzept zu verbessern, führt der Club auch immer wieder Umfragen bei seinem Publikum durch. Auch für das eigene Team gibt es finanzielle Anreize bzw. finanzielle Unterstützung für eine umweltfreundlichere Fahrt zum Arbeitsplatz und ein Firmenwagen mit Verbrennungsmotor wurde durch ein Hybridfahrzeug ersetzt. 

 Im Bereich Energie setzt man auf Ökostrom. Dabei soll es aber nicht bleiben, auch Einsparpotenziale werden genutzt. So vermeiden Bewegungsmelder die das Licht regulieren unnötigen Stromverbrauch und bei der Anschaffung von neuem technischem Equipment wird auf die Effizienz der Geräte geachtet. Beim Thema Müll funktioniert vor allem die Mülltrennung schon sehr gut, berichtet Grädler. Neben dem Clubbetrieb ist die halle 02 eine beliebte Location für verschiedene Veranstaltungen und Businessevents, die mit Catering versorgt werden wollen. Momentan wird das Cateringkonzept überarbeitet, um den Lebensmittelverbrauch zu reduzieren. So soll sich das Angebot zum Beispiel stärker auf vegane Optionen konzentrieren. Bei internen Veranstaltungen wird standardmäßig vegetarisches Essen angeboten.   

Die soziale Dimension der Nachhaltigkeit wird mit ebenso großem Nachdruck verfolgt wie die ökologische, betont Grädler. So bemüht sich die Halle 02 die in der Veranstaltungsbranche üblichen, schwierigen Arbeitsbedingungen zu verbessern. Ein weiteres wichtiges Handlungsfeld fällt unter die Stichwörter Awareness, Diskriminierungs- und Gewaltprävention (vgl. z.B. halle02, 2023c). 

Netzwerke soll man nutzen

Außerhalb der eigenen Mauern ist die halle 02 in ein vielseitiges Netzwerk eingebunden. Spartenübergreifenden Austausch und Vernetzung bietet das Projekt „Nachhaltiges Wirtschaften“ der Stadt Heidelberg. Grädler informiert sich auch über Nachhaltigkeitsprozesse an Institutionen anderer Kultursparten. Am wertvollsten ist für ihn der Austausch mit anderen Clubs und Musikspielstätten oder Initiativen der Branche: „Wir erfinden ja auch nicht ständig das Rad neu, wir sind Vorreiter, aber es gibt ja auch immer andere die schon weit sind und mit denen versuchen wir uns abzustimmen, Dinge zu übernehmen und zu teilen, was wir uns erarbeitet haben“. Insbesondere nennt er das professionelle Netzwerk Clubtopia, welches zum Beispiel Leitfäden veröffentlicht und Workshops anbietet, sowie den Austausch mit den anderen Teilnehmenden des Projekts des Green Club Index des Aktionsnetzwerks Nachhaltigkeit.  

 

Herausforderungen durch Personalmangel und fehlende Weiterbildung für Personal

Die Personalstruktur hat sich durch die Corona Pandemie leider verändert, erklärt Grädler. Insgesamt mussten Stellen gestrichen werden und die verbleibenden Ressourcen wurden dafür benötigt, den Kernbetrieb aufrecht zu erhalten. Dem Nachhaltigkeitsprozess konnten in dieser Zeit weniger Ressourcen gewidmet werden. Mittlerweile hat sich der Club soweit erholt, dass neue Stellen geschaffen werden konnten. Auf personeller Ebene wird das Thema Nachhaltigkeit nun neben Grädler auch von einer weiteren Mitarbeiterin bearbeitet.  

Die Personalfrage bleibt jedoch eine kritische, denn der Mangel an Zeit ist für Grädler eine der zentralen Hürden in der Nachhaltigkeitstransformation. Geeignetes Personal zu finden stellt momentan in der gesamten Branche eine Herausforderung dar. Grädler sucht Mitarbeiter:innen, die von sich aus Interesse am Thema Nachhaltigkeit mitbringen und motiviert sind, sich in diese Materie einzuarbeiten und ihre Kompetenzen zu erweitern: „Du bekommst keinen geschulten Nachhaltigkeitsmanager, sondern die Menschen müssen sich einarbeiten […] das ist nichts, was man voraussetzen kann“.  

Eine weitere Herausforderung sieht Grädler darin, dass – auch weil die Branche vergleichsweise klein ist – oft noch keine guten Lösungen verfügbar sind. Sie liegen außerhalb des finanziellen Rahmens eines kleineren Unternehmens oder sind qualitativ noch nicht zufriedenstellend. Qualitative Abstriche will Grädler nicht immer in Kauf nehmen: „am Schluss verkaufen wir ja Freizeiterlebnisse – und da will ich ein cooles Produkt!“. Und nicht zuletzt gibt es gewisse Eigenheiten der Branche, die sich etabliert haben und die eigene Transformation erschweren. Die sozialverträglichen und damit leider branchenunüblichen Arbeitszeiten der Veranstaltungstechniker:innen der halle 02 führen bei externen Veranstalter:innen oft zu Irritation. Für andere Maßnahmen fehlt die Infrastruktur, was von einem einzelnen Unternehmen nicht kompensiert werden kann.

Ein gutes Beispiel ist die An- und Abreise des Publikums mit dem ÖPNV. Hier greift die Subvention der ÖPNV-Nutzung nicht, wenn kein Bus in den Bezirk fährt, in dem die Gäst:innen wohnen und der Verkehrsverbund nicht bereit ist, eine neue Buslinie einzusetzen. Die halle 02 kann den tourenden Künstler:innen einen Shuttleservice anbieten um ihnen die Nutzung von öffentlichen Verkehrsmitteln zu erleichtern. Um ihr Mobilitätsverhalten umzukrempeln reicht das jedoch nicht, dafür müssten andere Spielstätten mitziehen. 

Grädler ist dennoch optimistisch. Die große Stärke der halle 02 sieht er zum einen in seinem motivierten Team und zum anderen in der einzigartigen Lage – direkt am Hauptbahnhof und inmitten eines innovativen und nachhaltig ausgerichteten Stadtviertels.  

Autor:in: Lisa Schauerbeck
Foto: Culture4Climate
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