Überlebenskunst mit nachhaltigen Konsequenzen  

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Überlebenskunst mit nachhaltigen Konsequenzen  

Musik/Festival | Energie 

Kulturveranstaltungen des Bundes, Berlin

Die Kulturveranstaltungen des Bundes in Berlin, die KBB, sind bereits seit 2013 EMAS zertifiziert und haben in den zehn Jahren viel Erfahrung in der Implementierung und Umsetzung eines Umweltmanagementsystems gesammelt. Christoph Hügelmeyer, Technischer Direktor und Umweltmanagementbeauftragter, gibt Einblicke in die Prozesse. 

Die KBB GmbH, die Kulturveranstaltungen des Bundes in Berlin, gehört zu den Nachhaltigkeits-Pionieren in der Kulturbranche und ist eine der wenigen Institutionen, die das Umweltmanagementsystem (UMS) EMAS eingeführt hat. Die KBB ist die Dachorganisation von drei eigenständigen Institutionen: den Berliner Festspielen mit dem Gropius Bau, der Berlinale und dem Haus der Kulturen der Welt (HKW). Während die Häuser programmatisch unabhängig agieren, gibt es übergreifende Abteilungen, die für alle drei Geschäftsbereiche zuständig sind. Nachhaltigkeit spielt dort bereits auf allen Ebenen eine Rolle. Christoph Hügelmeyer, Technischer Direktor, ist ebenso Nachhaltigkeitsbeauftragter und im Haus für die Fortführung des Umweltmanagementsystems verantwortlich. 

 Bereits vor über zehn Jahren haben die KBB angefangen, sich mit Nachhaltigkeit auseinanderzusetzen. Der Auslöser war das künstlerische Projekt Überlebenskunst im HKW, das in Zusammenarbeit mit der Kulturstiftung des Bundes und mit Unterstützung des Ökoinstituts von 2010-2012 realisiert wurde. Es setzte sich erstmals mit Fragen der Nachhaltigkeit im Kulturkontext auseinander. „Danach stellte sich die Frage, inwieweit so ein künstlerisches Projekt dann auch im Unternehmen nachklingen [muss]. Was für Lehren kann man […] ziehen, auch für die eigene Arbeit in einer Kulturinstitution?“, erzählt Christoph rückblickend. Da das Umweltbundesamt zu der Zeit zufällig ein Förderprogramm anbot, das die Einführung von EMAS finanzierte, war die Entscheidung gefallen, das UMS in der KBB zu implementieren. 

EMAS nimmt einem die Last des Altruismus von den Schultern

Christoph Hügelmeyer war bei der Einführung von EMAS noch nicht am Haus, aber er weiß aus Erzählungen, dass die Einführung erstmal sehr aufwendig war. Wenn der Prozess mal läuft, ist das UMS jedoch eine große Erleichterung, da es eine Struktur vorgibt, nach der man vorgeht. Systemeigene Tools unterstützen einen bei der Umsetzung. „Man muss sich dann einfach damit beschäftigen, weil es Teil des Unternehmens ist. Und es hilft uns, eine gewisse Form von Lautstärke im Unternehmen zu bekommen“, berichtet Christoph. Die Befürchtung, die Leute ihm gegenüber immer wieder äußern, dass ein Umweltmanagementsystem wenig Flexibilität zulässt, kann er nicht bestätigen:

Wir haben keine dogmatische Herangehensweise, sondern einen sehr pragmatischen Ansatz, indem wir schauen, was haben wir für Kapazitäten und wie lässt sich das mit dem UMS verknüpfen?

Auch personell fordert EMAS eine Struktur ein, die dafür sorgt, dass Nachhaltigkeit an allen wichtigen Schnittstellen im Haus angesiedelt ist. Bei der KBB trägt die Geschäftsführerin selbst die Verantwortung für das Umweltmanagementsystem. Christoph ist Umweltmanagementbeauftragter und auf der operativen Ebene für die Koordinierung der Maßnahmen und den Fortbestand des UMS zuständig. Das Umweltteam setzt sich aus jedem Geschäftsbereich der KBB zusammen und ist mit jeweils einer/einem Vertreter:in der künstlerischen Ebene, aus der Intendanz und aus dem Technikteam besetzt. Auch dabei sind Datenerfasser:innen, ein:e Kolleg:in der Arbeitssicherheit und je nach Notwendigkeit die Abteilungsleitungen der Zentralabteilungen. „Das Wichtigste ist vor allem ein entscheidungsrelevantes und -befugtes Team zu haben, das Ziele formulieren und Maßnahmen entscheiden kann“, betont Christoph. 

EMAS sichert den Fortschritt des eigenen Nachhaltigkeitsprozesses 

Ein großer Vorteil des Umweltmanagementsystems ist, dass der Nachhaltigkeitsprozess fortlaufend weitergeführt wird. Um die EMAS-Validierung behalten zu können, müssen regelmäßige Prüfungen durch externe Auditoren durchlaufen werden. In den zehn Jahren wurde daher schon viel erreicht und fast alle „low hanging fruits“ sind abgeerntet, „also die Maßnahmen, die (relativ) schnell, einfach oder kostengünstig umsetzbar sind“, erzählt Christoph. Doch man lernt (auch) nie aus. Im Rahmen der Energieeinsparverordnungen haben sie kürzlich herausgefunden, dass sie in den Abendstunden Teile der Klimaanlage im Gropius-Bau ausschalten können, ohne das notwendige Klima in den Räumen zu verlieren. Dadurch kann ein hoher sechsstelliger Verbrauch an kWh eingespart werden. „Diese Maßnahme hätte man auch schon vor zehn Jahren umsetzen können, wenn man das gewusst hätte“, meint Christoph. Für ihn ist das ein wichtiges Argument, trotz perspektivisch anstehender Sanierung das „alte“ Gebäude immer noch in Nachhaltigkeitsüberlegungen miteinzubeziehen.  

Die Bedarfsplanung einer Sanierung nutzen sie momentan für verschiedene Machbarkeitsstudien, um grundsätzlichere Fragen durchzuspielen, wie z.B.: Wie viel Technik muss eigentlich sein? Wie lassen sich durch passive Maßnahmen aktive Komponenten wie Klimaanlagen etc. aus dem Haus halten? Die Antworten darauf sind dann sicherlich auch für andere Institutionen hilfreich. 

Die KBB arbeitet darüber hinaus an einem weiteren großen Bereich: der Beschaffung. Einen Leitfaden zur umweltfreundlichen Beschaffung gibt es bereits, der regelmäßig in Vergabeschulungen eingesetzt wird. Im nächsten Schritt soll das Tool der Lebenszyklusanalyse eingeführt werden, da das „in der Vergabe ein scharfes Schwert sein kann, um umweltfreundlich auszuschreiben.“ Daher arbeitet die KBB derzeit an einer praxistauglicheren Lösung, um das noch sehr sperrige Tool für die Kolleg:innen so einfach wie möglich in der Nutzung zu machen.  

Mal trifft man die richtige, mal die falsche Entscheidung 

Die KBB hat in den letzten Jahren schon einiges ausprobiert, wie man Maßnahmen und den Prozess unternehmensintern kommuniziert. Es gibt im Intranet eine extra Rubrik zu Nachhaltigkeit, unter der man sich informieren kann. Bis vor Kurzem haben alle Mitarbeiter:innen auch einen regelmäßigen Newsletter in ihr Postfach bekommen. „Aber bei der Flut an Mails, hat das irgendwann zu einem Informations-Overload geführt,“ weshalb dieser eingestellt wurde.

Noch besser funktioniert oft, die Mitarbeiter:innen partizipativ abzuholen. Daher sind die Sitzungen des Umweltteams unternehmensintern offen. Besonders viel Anklang findet der jährlich stattfindende Umwelttag.

Dieses Jahr auf dem Programm: Eine Führung bei den Berliner Wasserwerken in Beelitzhof am Wannsee, bei der man sich erklären lassen kann, wie das Trinkwasser in Berlin produziert wird. „Das wird total gut angenommen. Da waren am Dienstag 30 Leute dabei und nächsten Dienstag sind auch nochmal 30 Leute angemeldet plus Nachrückerliste.“ Wie viel man kommuniziert oder auch nicht, ist ein stetiges Abwägen – nicht nur zu den laufenden Maßnahmen, sondern auch bei manchen Entscheidungen: „Wie viel will und muss ich Leute mitnehmen und wo ist es vielleicht auch besser, manche Dinge zu entscheiden und durchzuziehen. Das sind Fragen, die immer wieder kommen, wo man mal eine richtige, mal eine falsche Entscheidung trifft,“ sagt Christoph Hügelmeyer. Problematisch findet er das nicht, denn das gehört zum Prozess einfach dazu. 

Immer schön locker bleiben  

Auf die Frage, was Christoph Hügelmeyer anderen Institutionen mitgeben würde, sagt er: „Eine gewisse Form von Lockerheit behalten.“ Nicht den Anspruch haben, mit einem perfekten System zu starten, „sondern probieren, ins Laufen kommen.“ Auch bei einem Umweltmanagementsystem wie EMAS ist das möglich, da man nach und nach die Systemgrenze erweitern kann. Zudem rät er, sich nicht mit anderen Institutionen zu vergleichen oder von deren Maßnahmen abschrecken zu lassen. Denn jeder Betrieb ist so verschieden, dass man seine eigene Strategie finden muss. Vor allem, aber „einfach loslegen und dann wird das schon, und vieles gibt sich von alleine.“ 

Autor:in: Theresa Trunk
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