Über klimaneutrales Produzieren im Theater

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Über klimaneutrales Produzieren im Theater

Theater/Bühne | Mobilität 

Theater Regensburg

Das Theater Regensburg ist Teil des Fond Zero Programms der Kulturstiftung des Bundes und hat im Rahmen des Projekts ausprobiert, wie Theater auch nachhaltig gehen kann. Matthias Schloderer, kaufmännischer Direktor, und Johanna Loher, Vorstandsassistenz/Leitung Sonderprojekte, haben erzählt, wie – auch über Fond Zero hinaus – Nachhaltigkeit am Theater Regensburg gelebt wird.

„Klimaneutral bis 2030“. Schon 2019 hat die Stadt Regensburg den Green Deal mit genau jenem Ziel beschlossen. Als städtische Tochter soll 2035 theoretisch auch das Theater Regensburg klimaneutral sein. Den Weg hin zu einem nachhaltigen Theater bestreitet das Haus bislang jedoch aus eigener Kraft und Motivation, ohne verpflichtende städtische Vorgaben. Die Leitung sieht das Haus als öffentlich geförderte Institution besonders in der Verantwortung, nachhaltig mit den begrenzten Ressourcen der Welt umzugehen und ihre Vorbildfunktion auch im Hinblick auf die gesellschaftliche Transformation zu erfüllen: Das kann eine Inszenierung zu Zukunftsfragen sein, eine ästhetische Auseinandersetzung mit der Endlichkeit der Ressourcen oder eben das „Drumherum“ eines Theaterbesuchs (z.B. regionales gastronomisches Angebot, Möglichkeiten für klimafreundliche Anreise, umweltfreundliche Printprodukte). 

Am Anfang war die AG

Das Theater beschäftigt sich seit den 2010er Jahren in der AG Grünes Theater mit dem Thema Nachhaltigkeit. Das ausdauernde Engagement einiger Mitarbeiter:innen ist ein wichtiger Treiber der Entwicklungen am Theater Regensburg, dessen Leitung ein möglichst großes Angebot zur Partizipation schaffen möchte. Mitarbeiter:innen können sich über verschiedene Kanäle einbringen. Außerdem werden Beschäftigtenbefragungen gemacht, um beispielsweise herauszufinden, ob Jobräder oder Carsharingangebote genutzt werden würden. Als eine neue Assistenzstelle für die Geschäftsführung geschaffen wurde, wurde ihr ein zeitliches Kontingent für Nachhaltigkeit zur Verfügung gestellt und die Weiterbildung zur Transformationsmanagerin ermöglicht. 

Richtig Fahrt aufgenommen hat die Beschäftigung mit dem Thema Nachhaltigkeit, als es von dem kaufmännischen Direktor Matthias Schloderer auf die Agenda gesetzt wurde.

Den Anfang machte eine Status-quo-Analyse bisheriger Aktivitäten durch das externe Projektbüro WHAT IF, das auch die erste Klimabilanz des Theaters erstellt hat. Diese ist seitdem Referenzpunkt für das übergeordnete Ziel, die Bilanz mit jeder Neuen zu verbessern.   

Mit Experimenten ans nachhaltige Ziel

Das Theater verfolgt dabei einen projektevaluatorischen Ansatz, um möglichst holistisch durch Pilotprojekte und im agilen Arbeiten Dinge auszuprobieren. Der Leitsatz von Sebastian Brünger der Kulturstiftung des Bundes (KSB) „Einfach machen“ spielt dabei als Motto eine große Rolle. Der Prozess ist initial top down gedacht, aber mittlerweile haben einzelne Abteilungen in ihren Arbeitsprozessen verinnerlicht, nachhaltige Alternativen zu prüfen.  

Ganz im Sinne des Ausprobierens und Experimentierens war das klimaneutrale Stadtraumprojekt WAHRHEITEN im Rahmen des Fonds Zero der KSB. Die Förderung hat zum Ziel, die Möglichkeiten von klimaneutralem Theater auszuloten. Im Mittelpunkt stand in Regensburg das Thema Mobilität. Deshalb wurden verschiedene Ideen getestet, um die rund 50% autofahrenden Zuschauer:innen und knapp 30% autofahrenden Beschäftigten zur Nutzung von klimafreundlichen Alternativen zu bewegen.  

Für Mitarbeitende wurden Anreize gesetzt, wie ein kostenloser Fahrradcheck oder die 90%ige Kostenübernahme des Deutschlandtickets. Außerdem wurde angeboten, die Bildung von Fahrgemeinschaften organisatorisch zu unterstützen.  

Für das Publikum wurde beim Ticketverkauf eine „Klimakaution“ in Höhe von 10€ aufgeschlagen, die sich die Zuschauenden beim Eintritt wieder zurückholen konnten – aber nur, wenn sie mit einem klimafreundlichen Verkehrsmittel kamen. Für Zuschauer:innen aus dem Regensburger Umland ist das nicht so einfach, weshalb in Kooperation mit dem städtischen Verkehrsbetrieb Rufbusse für den ländlichen Raum angeboten wurden. Die Klimakaution hat ihren Zweck erfüllt: Erfreulicherweise haben mehr als 90% die Kaution zurückbekommen, was bedeutet, dass weniger als 10% mit dem Auto gekommen sind (3,5% davon als Beifahrer). Unmut gab es beim Publikum deswegen so gut wie nicht. Für eine dauerhafte Einführung braucht es jedoch noch ein einfacheres Prozedere bei der Kaufabwicklung. Auch der Fahrradcheck und der Zuschuss zum Deutschlandticket wurden von den Mitarbeiter:innen sehr gut angenommen. Weniger erfolgreich hat sich das Experiment mit Rufbussen und Carpooling herausgestellt, die Anreise ist hierfür zu individuell.  

Neben der Mobilität wurde sehr erfolgreich mit nachhaltiger Ausstattung experimentiert. Alle Spielorte wurden mit bestehenden Materialien aus dem Fundus ausgestattet. Der künstlerisch verantwortliche Hausausstatter Kristopher Kempf könnte sich vorstellen, künftig eine Produktion je Spielzeit so zu gestalten. Für externe Ausstatter:innen wird es ein Angebot bleiben. Unterstützung seitens des Hauses hätten sie jedoch. Eine wichtige strukturelle Veränderung dafür wäre die Digitalisierung des Fundus‘, die das Haus gerne vorantreiben möchte. Wie viele Häuser hat auch Regensburg viel Hoffnung auf Impulse des Szenografie-Bunds, die mit einer Arbeitsgruppe Ansätze zum Thema digitaler Fundus bündeln, und beteiligt sich hierbei an einem theaterübergreifenden Pilotprojekt.  

Ökologische und ökonomische Vorteile zusammendenken

Die Offenheit für Nachhaltigkeits-Maßnahmen ist immer auch dann groß, wenn finanzielle Vorteile im Spiel sind. Bei WAHRHEITEN war der Ansatz einer recycelten Ausstattung auch durch die massiv gestiegenen Holzpreise attraktiv. Angestrebte Photovoltaik- und LED-Projekte konnten im Verwaltungsrat und Stadt gerade auch deshalb vorangebracht werden, als im Zuge der Energiekrise die Vorteile einer Eigenabdeckung und Verbrauchsreduktion massiv zunahmen. Mittlerweile wurde die Altstadtordnung so gelockert, dass eine PV-Anlage auf dem Dach des denkmalgeschützten Gebäudes genehmigungsfähig ist.  

Die Finanzierung von großen Bauprojekten, beispielsweise im Bereich der Gebäudedämmung, bleibt jedoch weiterhin schwierig. Sei es wegen Personalmangel in den zuständigen Behörden oder aufgrund des massiven Investitionsstaus, den es in vielen Kommunen gibt. Für das Theater Regensburg war deshalb klar, das Photovoltaikprojekt im Haus zu lassen, auch wenn die Expertise dafür inhouse nicht vorhanden ist. Die Energieagentur Regensburg ist neben dem Denkmalschutzamt deshalb ein wichtiger Partner bei dem Vorhaben. 

Bei nachhaltiger Beschaffung gibt es noch Bretter zu bohren

Eine Veränderung im Beschaffungswesen ist für eine öffentliche Einrichtung eine strategisch wichtige Entscheidung mit weitreichenden Folgen.

Als Faustregel gilt am Theater Regensburg aktuell, dass das Kriterium Nachhaltigkeit rund 10% der Vergabeentscheidung ausmachen sollte. Bei Beschaffungen unter der Vergabegrenze werden mittlerweile fast ausschließlich regionale Anbieter gewählt.

Außerdem wird mithilfe von entsprechenden Ökolabels auf den Footprint des Produkts geachtet: Die Obstkiste, die es im Winter für die Mitarbeiter:innen im Büro gibt, ist regional. Es wurde auf 100 % Recyclingpapier umgestellt, wofür auch eine deutliche Preissteigerung in Kauf genommen wurde. Umso größer ist jetzt der Ansporn den Papierverbrauch insgesamt zu reduzieren!  Anders sieht es bei Ausschreibungen mit höheren Summen aus. “Nachhaltigkeit“ lässt sich hier nur mit Einschränkungen als Vergabekriterium einbauen, weil das Kriterium der Regionalität diskriminierend gegenüber Dienstleistern in anderen Bundesländern sein könnte. 

Fazit: Nachhaltiges Produzieren am Theater ist möglich …

 … wenn man keine Angst vor kleinen Schritten hat und in Experimenten Dinge ausprobiert und ggf. auch wieder verwirft. Die Veränderungskraft ist im Betrieb des Theaters Regensburg definitiv vorhanden. Dass sie mit vorgegebenen Umständen kreativ umgehen können, stellen sie immer wieder unter Beweis. Und dabei zählt aktuell mehr der Grundsatz des „Einfach machens“ und des Dranbleibens als eine im Detail ausgearbeiteten Strategie.  

Autor:in: Vera Hefele
Foto: Marie Liebig
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