Ein Vorbild für alle 

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Bibliothek | Ressourcen 

Münchener Stadtbibliothek

Schon ihrem Gründungszweck nach sind Bibliotheken Garanten für Nachhaltigkeit – und prädestiniert für die Transformation in einen klimaneutralen Betrieb. Wie der Weg dorthin aussehen kann, erprobt zurzeit die Münchner Stadtbibliothek in Zusammenarbeit mit dem Öko-Institut. 

2015 verabschiedeten die Vereinten Nationen die „Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung“ und formulierten dabei 17 Nachhaltigkeitsziele, zu denen neben der Bewahrung des Kulturerbes und der nachhaltigen Entwicklung von Städten und Gemeinden auch der Zugang zu hochwertiger Bildung sowie zu Informations- und Kommunikationstechnologien gehört: Ziele, die Bibliotheksnutzer:innen bereits seit 2.000 Jahren kennen. Was hinzu kommt: Der Grundgedanke, dass ein Gegenstand durch Verleihen von einer Vielzahl von Personen genutzt werden kann, ist nicht nur aus ökonomischer Sicht ein Paradebeispiel für Nachhaltigkeit, sondern auch aus ökologischer, schont er doch einerseits Ressourcen bei der Herstellung und sorgt andererseits im Anschluss für weniger Probleme bei der Entsorgung. 

Gebäudesanierung ist kein Grund für Stillstand 

Wie ein gutes System auch im Sinne der Nachhaltigkeit noch besser werden kann, lässt sich künftig am Beispiel der Münchner Stadtbibliothek beobachten. Dass hier einiges im Umbruch ist, ahnt man bereits, wenn man derzeit am Gasteig vorbeikommt. Das 1985 eröffnete Kulturzentrum im Stadtteil Haidhausen, Sitz auch der Philharmonie und der Volkshochschule, beherbergt normalerweise den Hauptstandort der Bibliothek. Eine mit der üblichen Zuversicht städtischer Bauämter gestartete, sich nun aber zäh dahinschleppende Sanierung des Gebäudes hat die Einrichtung Ende 2021 ins Ausweichquartier verbannt. Während ein Teil der Bestände nun in die einstige Trafohalle „HP8“ im Stadtteil Sendling umgezogen ist, findet man den anderen direkt gegenüber dem alten Standort im „Motorama”, einer ehemaligen Ladenzeile, die neben viel Platz auch eine gute Anbindung an den öffentlichen Nahverkehr bietet. Die Wartezeit, bis Bücher und sonstige Medien wieder zurückkehren können, möchten die Mitarbeitenden Stadtbibliothek nicht untätig absitzen.  „Nachhaltigkeit und Klimaschutz waren schon in den letzten Jahren sehr präsent in unserer Arbeit“, sagt Jutta Golz von der Stadtbibliothek München, und ihr Kollege Wolfgang Reuther wirft ein

Es gibt dabei zwei Dinge zu unterscheiden: einmal den Betrieb und die Verwaltung und zum anderen die programmatische Ausrichtung als kommunale Bildungseinrichtung.

Golz und Reuther sind Mitglieder der fünfköpfigen Kommission Nachhaltigkeit, einer Organisationsstelle der Stadtbibliothek, die den Transformationsprozess des Hauses begleitet. Der Dualismus von eigenem Handeln und Wirken in die Gesellschaft ist für sie ein zentrales Feld: Wie in anderen Städten ist auch Münchens zentrale Bibliothek nicht nur ein Ort zur Nutzung und Entleihung von Medien, sondern – ganz im Einklang mit der Idee eines Kulturzentrums – auch ein Ort der Begegnung und des Austauschs, der vielfältige Auseinandersetzungsmöglichkeiten mit dem Themenfeld Klimawandel und Klimaschutz bietet. 

Erste Öko-Bilanz steht bevor 

Was den eigenen Beitrag zum Klimaschutz angeht, hat die Münchner Stadtbibliothek Anfang des Jahres einen starken Partner im Öko-Institut gefunden. Die Forschungs- und Beratungseinrichtung erarbeitet seit 1977 Grundlagen und Strategien, wie nachhaltige Entwicklung global, national und lokal umgesetzt werden kann. Firmen und Institutionen aus allen möglichen Bereichen wenden sich an das Institut, um mit seiner Hilfe Konzepte und Strategien für nachhaltiges betriebliches Handeln zu erstellen. „In diesem Fall war es so, dass das Öko-Institut auf uns zugekommen ist“, berichtet Jutta Golz. Tatsächlich suchte man im Rahmen eines bundesweiten Förderprogramms nach Musterprojekten für nachhaltiges Handeln auf dem Kultursektor. „Als größtes kommunales Bibliothekssystem in Deutschland war die Münchner Stadtbibliothek aus Sicht des Öko-Instituts ein perfekter Partner.“ „Praktisch gesagt: Sie boten uns an, eine Öko-Bilanz mit uns zu machen, als wir gerade beschlossen hatten, eine solche aufzustellen“, sagt Wolfgang Reuther. Manche Dinge liegen einfach in der Luft.  

Schon 2016 hatte die Stadtbibliothek in einer ersten „Vision“ begonnen, das Thema Nachhaltigkeit immer sichtbarer in seinen Betriebszielen zu verankern. Der Impuls zur Gründung unserer Kommission kommt tatsächlich aus der Geschäftsleitung. Darüber hinaus gibt es aber auch Vorgaben von Seiten der Stadt München, die bereits 2019 den Klimanotstand ausgerufen hat und deren Stadtverwaltung bis 2030 klimaneutral sein soll – 2035 dann die ganze Kommune.“

Momentan geht es darum, mithilfe des Öko-Instituts einen Überblick über die Ausgangslage zu bekommen. Und das läuft so: „Vorab haben wir mithilfe des Instituts einen Fragebogen ausgefüllt, in dem Energiewerte abgefragt werden, bezogen auf unterschiedliche Faktoren wie Standorte, Fuhrpark etc. Diesen Fragebogen haben wir zurückgeschickt – und nun warten wie auf die Auswertung in Form der Öko-Bilanz.“ Aufgrund der komplexen Gemengelage ein ideales Dokument, um Mechanismen auch für andere vergleichbare Institutionen abzuleiten.   „Tatsächlich haben wir unseren Sachgebietsleiter nicht um seine Aufgabe beneidet, wenn wir gesehen haben, welche Daten er alle zusammentragen musste“, sagt Wolfgang Reuther. „Nimmt man allein die allgemeinen Kenngrößen der Gebäude, muss man für jedes Gebäude und jedes Sondergebäude sowohl die Anzahl als auch die der jeweiligen Quadratmeter und Mitarbeiter:innen in die Berechnung mit einbeziehen.“ Eine Fleißarbeit, wenn man bedenkt, dass zu den beiden Interimsstätten noch 22 Stadtteilbibliotheken plus Spezialstandorte, Verwaltungs- und Magazingebäude sowie mobile Zusatzangebote hinzugerechnet werden müssen. In manchen Fällen, nämlich bei Gebäuden, die die Stadtbibliothek von kommunalen oder privaten Vermietern gemietet hat, müssen Daten erst von dritter Seite abgefragt werden. „Wir fräsen uns da durch einen ziemlichen Dschungel“, sagt Wolfgang Reuther, „hoffen dann aber, dass andere Bibliotheken von unserer Vorarbeit profitieren können.“  Sobald die Bilanz vorliegt, wird das Öko-Institut konkrete Empfehlungen aussprechen und Handlungsmaßnahmen benennen, mit denen die Stadtbibliothek ihren Transformationsprozess voranbringen kann.

Die Handlungsfelder sind bekannt und in praktisch allen kulturellen Einrichtungen einer bestimmten Größe die gleichen: Abgesehen von der Gebäudeenergie reichen sie vom Papierverbrauch in der Verwaltung bis zu Transporten und Dienstreisen, von technischen Geräten bis zu Verpackungen und dem Angebot von Speisen und Getränken. Was vielen Institutionen Kopfzerbrechen bereitet, die Publikumsmobilität, ist im Fall der Stadtbibliothek indes weniger relevant. Dank guter Erreichbarkeit in den verschiedenen Stadtteilstandorten sind die mit Abstand meisten Nutzer:innen klimaschonend zu Fuß, mit dem Fahrrad oder mit öffentlichen Verkehrsmitteln unterwegs.

Dass die Beratung durch das Öko-Institut nicht bei null anfangen wird, liegt neben bisher schon getroffenen Einzelmaßnahmen auch am starken Rückhalt in der Belegschaft. „Wir haben unsere Mitarbeitenden bereits auf die 17 Nachhaltigkeitsziele der UN eingestimmt“, sagt Jutta Golz, die von einem durchweg positiven Feedback berichten kann. Schon im Vorfeld wurden Vorschläge aus den einzelnen Abteilungen und Standorten zusammengetragen. Auch sie, so ist sich die Kommission einig, werden anderen kommunalen Bibliothekssystemen in Deutschland zugutekommen.        

Autor:in: Stephan Schwarz-Peters
Foto: Culture4Climate
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