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Film | Kooperation 

Arbeitskreis „Green Shooting“

Der Arbeitskreis „Green Shooting“ hat einen Katalog mit 21 Nachhaltigkeitsmaßnahmen verfasst. Mit der Unterstützung der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien (BKM) wurden das Einhalten dieser Standards deutschlandweit zur Fördervoraussetzung für alle öffentlich geförderten audiovisuellen Produktionen. Der Arbeitskreis hat damit nicht nur einen wirkungsvollen Hebel für die Nachhaltigkeitstransformation der Branche geschaffen, sondern auch dazu beigetragen, mit Klischees aufzuräumen.

In der Produktion audiovisueller Medien können schon kleine und einfach umzusetzende Nachhaltigkeitsmaßnahmen große Wirkung zeigen. Das liegt daran, dass die Branche noch am Anfang der Nachhaltigkeitstransformation steht und viele Potenziale, Emissionen einzusparen, noch nicht genutzt wurden, erklärt Marian Bendix Metzner von der Medien- und Filmgesellschaft Baden-Württemberg (MFG). Die MFG hat diesen Missstand erkannt und 2017 den Arbeitskreis „Green Shooting“ ins Leben gerufen. Mittlerweile haben sich der MFG 18 Partnerinstitutionen angeschlossen, darunter Sender wie die ARD, ZDF und SWR, Video-on-Demand-Dienste (VoD) wie Disney+ und Netflix und Produktionsfirmen, sowie andere Förderinstitutionen wie die MOIN Filmförderung aus Hamburg.

Mit jedem Treffen des Arbeitskreises zeichnete sich deutlicher ab, dass grundlegende Daten über die großen Emissionsfaktoren der Branche fehlen. Bevor über Maßnahmen und Vorgaben diskutiert werden konnte, waren Erkenntnisse zum Status Quo gefragt.

Das vom Öko-Institut begleitete und ausgewertete Projekt „100 grüne Produktionen“ sollte genau diese Datengrundlage liefern, auf der anschließend Maßnahmen entwickelt werden konnten. Sie wurden im Anforderungskatalog „Ökologische Mindeststandards“ veröffentlicht. Am 01.01.2022 haben viele Produktionsfirmen und Sender die Mindeststandards übernommen und eine „verbindliche Selbstverpflichtung“ (vgl. Green Motion, 2023a) abgegeben. 2023 wurden die Standards in leicht überarbeiteter Form von allen öffentlichen Filmförderbehörden als Fördervoraussetzung übernommen.

Ökologische Standards sind mittlerweile Grundlage für die öffentliche Filmförderung

Diese Entwicklung hat weitreichende Konsequenzen: „Man kommt nicht drumherum“, so Metzner. Doch hier lohnt es sich, etwas zu differenzieren. Die nun „Ökologische Standards für deutsche Kino-, TV- und Online-/ VoD-Produktionen“, oder kurz „Ökologischen Standards“ genannten Anforderungen, sind Fördervoraussetzung für alle in Deutschland öffentlich geförderten Kino-, TV- und Online-/VoD-Produktionen. Schon bei der Bewerbung um eine Förderung bei einer öffentlichen Förderinstitution muss also eine Absichtserklärung beiliegen, die Standrads einzuhalten. Auch eine dem Projekt vorausgehende CO₂ Bilanzierung und die Begleitung des Projektes durch einen „Green Consultant“ sind sogenannte „Muss-Vorgaben“ und damit für öffentlich geförderte Projekte zwingend erforderlich. Ob eine Produktion „Muss-Vorgaben“ des Katalogs gerecht wird, lässt sich jedoch erst im Nachhinein beurteilen. In einem Abschlussbericht muss angegeben werden, welche der Muss- und welche der Sollvorgaben eingehalten wurden. Bei nicht eingehaltenen Maßnahmen wird außerdem eine schriftliche Begründung verlangt.

Die MFG entzieht Projekten, denen es nicht gelingt, alle Standards einzuhalten, nicht die komplette Förderung, doch disqualifizieren sie sich für das Label „Green Motion“, mit dem das Nachhaltigkeitsengagement nach außen kommuniziert werden kann. Eine Absichtserklärung macht noch keine nachhaltige Produktion. Es braucht einen genauen Blick auf jede einzelne Produktion und das Feedback, das die MFG über die Abschlussberichte erreicht. Nur so kann die Machbarkeit der Anforderungen überprüft und das Ambitionsniveau aufrechterhalten werden. Die stetige Weiterentwicklung der Anforderungen ist in der Präambel des Katalogs festgehalten. Dazu soll nun ein Nachhaltigkeits-Board geschaffen werden, das paritätisch von den Mitgliedern des Arbeitskreises und der Bundes- und Länderförderungen besetzt wird und dafür sorgt, dass das Feedback der Produktionsfirmen, „Green Consultants“ und anderen Akteur:innen bei der Weiterentwicklung der Standards mit einfließt.

Heterogene Akteure erfordern viel Kommunikation, um gemeinsame Standards zu schaffen

Nicht immer sind sich die Mitglieder des Arbeitskreises einig, wenn es um das Festlegen der Standards geht. Metzner erklärt, dass die heterogenen Perspektiven der Mitglieder auch für intensive Debatten sorgen. Maßnahmen, die kurzfristig Mehrkosten bedeuten, sind besonders häufig Gegenstand von Diskussionen. Hier braucht es viel Kommunikation, um die langfristigen Einsparpotentiale aufzuzeigen. Aber auch ambitionierte Zielsetzungen, die von der MFG als idealistisch denkende Förderinstitution forcieren werden können, stellen für andere Partner:innen wie Sender, die selbst produzieren und die Bedingungen des Produzierens kennen, große Herausforderungen dar.

Ein häufiges Feedback aus der Praxis bezieht sich auf den Einsatz bestimmter Dieselgeneratoren für sog. „on location“Produktionen. Den durch die „Ökologischen Standards“ geforderten Generatoren entsprechen jedoch nur drei Prozent der am Markt angebotenen Modelle. In der Folge scheiterten viele Projekte an dieser Vorgabe. Der Arbeitskreis hat daher diese Muss- zu einer Soll-Vorgabe ernannt. Allerdings wurde auch terminiert, ab wann sie wieder zur Muss-Vorgabe wird. Diese Lösung erleichtert den Produktionen das Einhalten der Vorgaben. Gleichzeitig bleibt der Druck gegenüber den Betrieben, die Generatoren verleihen, die effizienteren Modelle zur Verfügung zu stellen und gibt ihnen Planungssicherheit.

Green Consultants begleiten Produktionen

Dieses Beispiel zeigt sehr anschaulich, welche Wirkung die „Ökologischen Standards“ im besten Fall entfalten. Als verpflichtende Vorgabe erhöhen sie auch den Druck auf die externen Dienstleister:innen und Gewerben wie besagten Generatoren- oder Auto-Verleih-Diensten, Hotels, oder Cateringservices.

Auch die neue Berufsgruppe der „Green Consultants“ ist durch die Standards entstanden. Als Nachhaltigkeitsbeauftragte begleiten sie Produktionen und sollen ihr Wissen als Multiplikator:innen in die Teams bringen. Damit das Thema Nachhaltigkeit nicht an die „Green Consultants“ abgeschoben wird, sondern auch die Projektleitung und das gesamte Team Verantwortung übernehmen, wird der vom Arbeitskreis geforderte Abschlussbericht nicht nur vom „Green Consultant“, sondern auch von der Produktionsleitung unterschrieben.

Die „Green Consultants“ sind oft externe Berater:innen, die für verschiedenen Produktionen arbeiten. Sie legitimieren sich durch eine mehrtägige Weiterbildung, zum Beispiel an der Hochschule der Medien Stuttgart, wo das Weiterbildungsformat in Kooperation mit dem MFG erarbeitet wurde.

Die „Ökologischen Standards“ beziehen sich auf die Prozesse, die hinter den Kulissen stattfinden. Auf künstlerische Aspekte der Produktion wirken sie sich höchstens indirekt aus. Trotzdem hat der Arbeitskreis, gemeinsam mit anderen Initiativen wie „Changemakers.film“ (vgl. Changemakers.film, 2023) einen Diskurs angestoßen, der über die betriebliche Nachhaltigkeit hinaus geht (vgl. z. B. Deutsche Akademie für Fernsehen, 2022).

Metzners Blick in die Zukunft ist klar. Statt auf große Visionen setzt die MFG weiterhin auf eine realistische und dennoch ambitionierte Weiterentwicklung der „Ökologischen Standards“. Viele der Soll-Vorgaben sind terminiert, d. h. sie werden in den kommenden Jahren zu Muss-Vorgaben. Auch das Kontigent der grünen Produktionen, zu dem sich die Sender und VoD-Dienste im Arbeitskreis „Green Shooting“ verpflichtet haben, sollte in den nächsten Jahren steigen (vgl. Green Motion 2023b). Statt nur mit Maßnahmen zu arbeiten, sollen sich in Zukunft aus den neu gewonnenen Daten feste CO₂ Zielgrößen ableiten lassen. Erfreulich ist, dass auch Independent-Produktionen, die keine öffentliche Förderung erhalten und damit nicht den „Ökologischen Standards“ verpflichtet sind, Interesse am grünen Drehen zeigen. Und überhaupt findet Metzner: „Die Standards sind kein Aufruf, sich nur daranzuhalten. Jeder darf auch noch mehr machen!“

Autor:in: Lisa Schauerbeck
Foto: Culture4Climate
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