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Kulturzentrum Pavillion Hannover

Nachhaltigkeit mit Tradition: Schon vor langer Zeit hat das Hannoveraner Kulturzentrum „Pavillon“ eine leistungsstarke Solaranlage auf dem Dach installiert, auch eine Kernsanierung vor einem Jahrzehnt hat wesentlich zur Energieeffizienz beigetragen. Doch es geht noch mehr, wie das Format „Act now!“, finanziert mithilfe des Förderprogramms „Fonds Zero“, beweist.

Nur wenige Schritte vom Hauptbahnhof entfernt liegt eines der auffälligsten Innenstadtgebäude Hannovers. Seinen Namen „Pavillon“ verdankt der vergleichsweise flache, aber raumgreifende Bau einem der architektonischen Lieblingsstile seiner Entstehungszeit: den frühen 1960er-Jahren, in denen hier ein Kaufhaus untergebracht war. Nach seinem Auszug Mitte der 1970er-Jahre drohte der Abriss, doch eine Bürger:innen-Initiative setzte sich erfolgreich für die Einrichtung eines Kulturzentrums ein. Noch heute lockt der Pavillon mit Konzerten, Kabarett- und Comedy-Abenden, Theatervorstellungen, Lesungen, Ausstellungen und politischen Diskussionsrunden ein großes Publikum. Rund 1.000 Veranstaltungen verteilen sich im Jahr auf die verschiedenen Räumlichkeiten, zu denen neben einem großen Saal für über 1.000 Personen u.a. auch zwei Theaterbühnen gehören. Die Beliebtheit des Zentrums ist für die betreibende Bürgerinitiative Raschplatz e. V. ein Grund zur Freude. Andererseits bringt Erfolg Verantwortung mit sich; nicht zuletzt eine ökologische, denn wo vieles stattfindet und große Menschen-mengen zusammenkommen, wird auch viel CO₂ emittiert.

ENERGETISCHE SANIERUNG DES HAUSES ERMÖGLICHT GROSSE CO2­EINSPARUNG

Schon seit langem gibt es hier im Haus ein großes Bewusstsein für Nachhaltigkeit, wir haben u.a. auch die Nachhaltigkeitsdeklaration von Culture4Climate unterschrieben“,

Kolja Scwab der zusammen mit seiner Kollegin Anna Rießen die Öffentlichkeitsarbeit für den Pavillon Hannover betreut, sagt „Ein großer Schritt war die Kernsanierung des Gebäudes, das seit der Wiedereröffnung 2014 deutlich energieeffizienter ist.“ Was man von Weitem schon sehen kann: Die stattliche Solaranlage aus dem Jahr 2000, die sich auf einer Fläche von 400 Quadratmetern über das charakteristische Flachdach erstreckt. „Freilich ist die Anlage mittlerweile etwas in die Jahre gekommen“, sagt Kolja Schwab, „doch immerhin können wir derzeit über elf Tonnen an CO₂-Emissionen damit kompensieren. Mit modernerer Technik wäre natürlich mehr möglich.“ Was in der Zwischenzeit sonst noch möglich wäre beim Thema Nachhaltigkeit, darüber grübelt das Pavillon-Team schon seit längerem. Denk-, Start- und Finanzierungshilfe leistet ihm dabei die Kulturstiftung des Bundes, die mit ihrem Programm „Fonds Zero“ bis zum Jahr 2027 klimaneutrale Kunst- und Kulturprojekte fördert und dafür insgesamt 8 Millionen Euro zur Verfügung stellt. Eines dieser von einer unabhängigen Fachjury ausgewählten Projekte ist die klimaneutrale Konzertreihe „Act now!“, die zwischen Oktober 2023 und September 2024 im Pavillon Hannover stattfindet

MIT „ACT NOW!“ EIN KLIMA­­­-NEUTRALES KULTURPROGRAMM SCHAFFEN

Vier Bandauftritte sind geplant, doch angesichts des umfangreichen Begleitprogramms mit Panels, Ausstellung und künstlerischen Interventionen greift der Begriff „Konzertreihe“ fast zu kurz. Gleichwohl soll das Musikerlebnis im Vordergrund stehen. Denn wenn es um die Bildung eines kollektiven Klimabewusstseins geht, wirkt emotionale Ansprache meist stärker als das Aufzählen von Fakten: „Mit Kunst kann man Menschen auf ganz andere Art und Weise erreichen als durch bloße Information“, sagt Schwab, der schon vor seiner Zeit beim Pavillon in der Nachhaltigkeitskommunikation tätig war. Anders als etwa Nachrichten, die man ausblenden kann, gelangen Songs unmittelbar ins Ohr – und von dort ins Bewusstsein. Die „Message“ ist in Programmen wie denen der zum „Act now!“-Auftakt geladenen Hamburger Elektropop-Band HUNDREDS ohnehin enthalten, ebenso bei der vorab auftretenden Sängerin und Songwriterin SERPENTIN, die mit ihrem Klimasong „Mother“ bereits eine Art Hymne zum globalen Klimastreik beigesteuert hat. Einen weiteren künstlerischen Zugang zum Thema Klimawandel garantiert die Mitwirkung von Culture Declares Emergency (CDE), einer weltweiten Klimabewegung von Kunst- und Kulturschaffenden mit eigenem Ableger in der Leinestadt, die „Act now!“ – wie auch die Scientists for Future Hannover – als Projektpartnerin unterstützt.

HERAUSFORDERUNG KLIMABILANZIERUNG

So viel zur Kunst. Dass daneben auch konkretes betriebliches Handeln gefragt ist, entspricht nicht nur dem Selbstverständnis der Organisator:innen, sondern auch den Richtlinien des Förderprogramms „Fonds Zero“. Förderberechtigt sind danach nur solche Antragsteller:innen, die bereits mit der Praxis ökologischer Nachhaltigkeit vertraut sind und diesen Weg konsequent weiterbeschreiten wollen. Verpflichtend ist die Voraberstellung einer Klimabilanz des laufenden Betriebs sowie einer auf das Projekt bezogenen Auswertung, um ein realistisches Bild von den Maßnahmen zu bekommen. Zudem muss eine:n hauseigene:n Klimabeauftragte:n benannt werden, die/der die klimaneutrale Durchführung des Projekts von der Planung bis zur Umsetzung koordiniert. Im Pavillon übernimmt Kolja Schwab diese Aufgabe und wird dabei von einem aus allen Abteilungen des Betriebs stammenden „Green Team“ unterstützt.

„Im Gegenzug erhalten wir neben der finanziellen Unterstützung auch Hilfe bei der Erstellung der Klimabilanzen“.

Weitere Vorteile: Durch die Vernetzung und den Austausch mit anderen „Fonds Zero“-Projekten und die Angebote der programmeigenen „Akademie Zero“ kann das Pavillon-Team sein betriebsökologisches Knowhow fortwährend erweitern.„Natürlich ist es sehr aufwändig, eine solche Klimabilanz aufzustellen“, sagt Kolja Schwab, der nach dem „ersten Durchgang“ jedoch mit einer Automatisierung und Routine bei künftigen Bilanzen rechnet. „Für das Jahr 2019 – die darauffolgenden Corona-Jahren waren für unseren Betrieb nicht repräsentativ – haben wir Emissionen in Höhe von ca. 200 Tonnen CO₂-Äquivalenten errechnet. Den Löwenanteil mit rund 50 Prozent nimmt dabei die Mobilität der Gäste ein.“ Während Maßnahmen in Bereichen wie Veranstaltungstechnik, Verwaltung oder Bewerbung von Veranstaltungen durch vorausschauende Logistik, technische Neuanschaffungen oder sorgfältige Auswahl von Anbieter:innen und Materialien vergleichsweise schnell umgesetzt werden können, haben Angeboten wie die kostenlose ÖPNV-Nutzung oder Fahrradparkplätze nur dann eine verhaltensändernde Wirkung auf die Besucher:innen-Mobilität, wenn sie von einer ziel-gerichteten Ansprache begleitet werden. Hier gibt es viel zu tun, nicht zuletzt, weil die eingangs vorgenommene Auswertung ergeben hat, dass allein ein Drittel der Emissionen durch die Anreise mit dem PKW verursacht wird.

Wie sich die auf „Act now!“ angewandten Maßnahmen in der entsprechenden Klimabilanz auswirken – und wie sie sich insgesamt in den Betrieb des Pavillons implementieren lassen, darauf sind die Betreibenden schon jetzt sehr gespannt. Eine wichtige Stellschraube des Hauses jedoch lässt sich nicht so einfach drehen. „Da das Gebäude selbst der Stadt gehört und nur an uns vermietet wird, hängen wir an dem Stromvertrag, den die Stadt immer wieder neu abschließt“, sagt Kolja Schwab. Zwar handele es sich nicht um 100-prozentigen Ökostrom, doch sei er zumindest klimaverträglicher als der durchschnittliche Bundesmix. „Und da die Stadt bis 2035 klimaneutral sein möchte, wird es nur eine Frage der Zeit sein, bis wir auch Ökostrom beziehen.“ In der Zwischenzeit wird die Sonne über Hannover hoffentlich genug Energie freisetzen, damit Besucher:innen das Pavillon-Angebot so nachhaltig wie möglich genießen können.

Autor:in: STEPHAN SCHWARZ-PETERS
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