„Ein Wald wäre schön“

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„Ein Wald wäre schön“

Museum/Ausstellung | Kooperation 

Europäisches Hansemuseum, Lübeck

Im Europäischen Hansemuseum (EHM) in Lübeck trifft ein junges Team in einem modernen Neubau auf eine historische Altstadt. Das Museum gibt es seit 2015. Viele Mitarbeiter:innen haben im Rahmen ihrer Möglichkeiten nachhaltig gearbeitet, bevor es einen offiziellen Nachhaltigkeitsprozess gab. Das alte Burgkloster, an das der Neubau angeschlossen ist, stammt aus dem 13. Jahrhundert und ist Teil des UNESCO-Welterbes Lübecker Altstadt. Damit gehen viele Auflagen einher, die sich nicht immer mit den Ideen der Nachhaltigkeits-AG des Museums überein bringen lassen.

Kristin Fechner träumt von einem eigenen Mikrowald für das Europäische Hansemuseum (EHM). Das Konzept des Mikrowaldes geht auf den japanischen Ökologen Akira Miyawaki zurück. Seine Vision war, durch die Aufarbeitung des Bodens und eine sehr dichte Bepflanzung, kleine urbane Räume schon in wenigen Dekaden in lebendige Biotope zu verwandeln. Ein Mikrowald soll Lebensraum für Insekten und andere Tiere bieten, die Luftqualität und die Temperatur regulieren, sowie den Lärmpegel senken. Fechner ist Referentin der Geschäftsführung und seit kurzem auch Nachhaltigkeitsbeauftragte am EHM und kennt die Auflagen, die mit dem UNESCO-Welterbe und dem Denkmal-Status einhergehen. Trotzdem liegt ihr am Herzen, Träume und Wünsche zu entwickeln. Genau das war Aufgabe des ersten Nachhaltigkeitsworkshops mit den Mitarbeiter:innen des Hauses im Sommer 2022. So wurden viele Ideen für Maßnahmen gesammelt, die zwar nicht alle und nicht unmittelbar umgesetzt werden können, aber einen Grundstein der Nachhaltigkeitsstrategie des EHM liefern.

Zum anderen schloss sich das EHM als erstes deutsches Museum der Initiative „Museums for Future“ an und bekannte sich zu deren Zielen. – Kristin Fechner

Nachhaltigkeitstransformation dank intrinsischer Motivation und Vorgaben der Stakeholder

Fechner berichtet, dass viele Mitarbeiter:innen schon lange sensibilisiert waren und im Rahmen ihrer Möglichkeiten Maßnahmen umgesetzt haben: vom Fairtrade Kaffee für die Büroküche, über den energieeffizienten Einsatz der Technik bis zum Wiederverwenden von Ausstellungselementen. Die strategische Auseinandersetzung mit dem Thema wurde jedoch von einigen externen Faktoren initiiert. Zum einen wünschte sich die Possehl-Stiftung Lübeck als Gesellschafterin des Museums eine CO₂-Bilanzierung. Zum anderen schloss sich das EHM als erstes deutsches Museum der Initiative „Museums for Future“ an und bekannte sich zu deren Zielen. Und nicht zuletzt nahm das Projekt „BildungKlima-plus-56“ das EHM in ihrem Netzwerk auf. Diese Initiative arbeitet nicht nur an der Bildungs- und Vermittlungsarbeit von außerschulischen Bildungseinrichtungen, sondern gibt auch Hilfestellung bei der betrieblichen Nachhaltigkeitstransformation.

„Wir wollten sichtbar machen und prüfen, ob sich unsere Bemühungen bereits auszahlen“, so Fechner. Und tatsächlich zeichnet sich zwischen den beiden Bilanzen ein eindeutiger Unterschied ab, der zum Teil auf die Energiesparverordnung, zum Teil aber auch auf das Engagement der Mitarbeiter:innen zurückzuführen ist.

Der Prozess hat jedoch schneller an Fahrt aufgenommen als erwartet, berichtet Fechner. Sie hat die Weiterbildung zur Transformationsmanagerin des Aktionsnetzwerks Nachhaltigkeit in Kultur und Medien absolviert und bei einem Workshop des Aktionsnetzwerkes den Umgang mit dem CO₂ Rechner für die Kultur gelernt. Mit diesem Wissen gerüstet, konnten bereits zwei CO₂-Bilanzen erstellt werden. Die Bilanzen wurden für das vergangene Jahr und – um eine gewisse Vergleichbarkeit zu schaffen – für das letzte Jahr vor der Corona-Pandemie erstellt und in einem Dokument gegenübergestellt: „Wir wollten sichtbar machen und prüfen, ob sich unsere Bemühungen bereits auszahlen“, so Fechner. Und tatsächlich zeichnet sich zwischen den beiden Bilanzen ein eindeutiger Unterschied ab, der zum Teil auf die Energiesparverordnung, zum Teil aber auch auf das Engagement der Mitarbeiter:innen zurückzuführen ist.

Durch den Nachhaltigkeitsprozess entstanden viele neue Kooperationen und Netzwerke, andere wurden intensiviert. Neben der Mitgliedschaft bei „Museums for Future“ und dem Netzwerk von „BildungKlima-plus-56“ tauscht sich das Haus auf lokaler Ebene mit Lübecker Tourismus-Unternehmen aus, die ebenfalls im TourCert-Netzwerk koordiniert von der Lübeck und Travemünde Marketing GmbH (LTM), der Hansestadt sind.

Mit formulierten Zielen und Anpassung des Leitbildes zur Transformation

Die Nachhaltigkeitstransformation wurde als Projekt organisiert. In einem Projektplan sind die Projektidee formuliert und die Ziele festgehalten. Bis 2035 soll die Klimaneutralität erreicht sein. Die Maßnahmen entwickelt Fechner gemeinsam mit der Nachhaltigkeits-AG, in der sich Mitarbeiter:innen aus verschiedenen Abteilungen beteiligen. In Abstimmung mit der Direktorin werden sie auf ihre Machbarkeit hin überprüft und priorisiert. Bis Ende des Jahres sollen alle Maßnahmen terminiert werden. Für Fechner ist die Anpassung des Leitbildes zentral für die weiteren Arbeitsschritte. Nachhaltigkeit spielt darin bisher keine explizite Rolle. Das Leitbild ist auch im Kontext der Klimafolgenanpassung von großer Bedeutung. Ein Thema, bei dem die Branche noch am Anfang steht, mit dem das EHM sich in Zukunft aber verstärkt auseinandersetzen möchte. Fechner interessiert dabei, welche neuen Funktionen das Museum der Zukunft haben könnte: „Museen werden auch in Zukunft noch klimatisiert werden müssen – das lässt sich nicht ganz aufheben. Aber vielleicht können sie so ein Zufluchtsort für Menschen werden, die in den Mittagsstunden Schutz vor der Hitze suchen“.

Bemerkenswert ist zudem die Zusammenarbeit mit Klimaaktivist:innen von Greenpeace und Fridays for Future. Momentan unterstützt das Museum die Initiativen vor allem mit Räumlichkeiten, erläutert Fechner und berichtet begeistert von der Energie, die die Aktivist:innen mitbringen.

Durch den Nachhaltigkeitsprozess entstanden viele neue Kooperationen und Netzwerke, andere wurden intensiviert. Neben der Mitgliedschaft bei „Museums for Future“ und dem Netzwerk von „BildungKlima-plus-56“ tauscht sich das Haus auf lokaler Ebene mit Lübecker Tourismus-Unternehmen aus, die ebenfalls im TourCert-Netzwerk koordiniert von der Lübeck und Travemünde Marketing GmbH (LTM), der Hansestadt sind. Im Rahmen dieses Projektes konnte sich eine Mitarbeiterin des EHM zum Thema „Nachhaltiges Veranstaltungsmanagement“ weiterbilden. Bemerkenswert ist zudem die Zusammenarbeit mit Klimaaktivist:innen von Greenpeace und Fridays for Future. Momentan unterstützt das Museum die Initiativen vor allem mit Räumlichkeiten, erläutert Fechner und berichtet begeistert von der Energie, die die Aktivist:innen mitbringen. Sie beobachtet mit Sorge die negative Energie – und Presse – die den Aktivist:innen zurzeit begegnet und hofft, mit der Unterstützung des Museums einen Beitrag zu ihrer Arbeit leisten zu können.

Zusammengefasst wird das aktivistische Engagement auf der Website des EHM unter dem Stichwort „ökologischer Handabdruck“. Damit erweitert sich der Fokus auf die positive Wirkung der Institution jenseits ihrer Bilanz. Fechner erklärt, dass der Nachhaltigkeitsprozess des EHM für sie weit mehr als die Reduktion der CO₂-Emissionen bedeutet. Es geht auch um das Schonen verschiedenster Ressourcen, den Erhalt der Biodiversität und das Wirtschaften in Kreisläufen.

Eine große Herausforderung nimmt Fechner im Umgang mit externen Dienstleister:innen wahr. Oft ist es schwer, in der Zusammenarbeit an den eigenen Standards festzuhalten. Wie nachhaltig z. B. ein Catering Unternehmen ist, lässt sich meist nur schwer herausfinden.

Externe Dienstleistende sowie personelle Ressourcen sind die größten Herausforderungen

Eine große Herausforderung nimmt Fechner im Umgang mit externen Dienstleister:innen wahr. Oft ist es schwer, in der Zusammenarbeit an den eigenen Standards festzuhalten. Wie nachhaltig z. B. ein Catering Unternehmen ist, lässt sich meist nur schwer herausfinden. Ein Weg, über den das Museum schon jetzt versucht, externe Akteur:innen auf ihre Nachhaltigkeitsbestrebungen hin zu überprüfen, ist über Ausschreibungen für Sonderausstellungen. In den Ausschreibungen wird die Auseinandersetzung der Gestaltungsagentur mit dem Thema Nachhaltigkeit abgefragt und in die Bewertung einbezogen. Zudem soll kurz- bis mittelfristig ein Umweltmanagementsystem am EHM eingeführt werden. Für Fechner ist mit einem Umweltmanagementsystem, das unter anderem einen Fokus auf Lieferketten legt, die Hoffnung verbunden, die Wirkung der eigenen Nachhaltigkeitsstrategie zu multiplizieren.

Eine andere Herausforderung liegt im Haushalten mit den personellen Ressourcen. Die Mitglieder der Nachhaltigkeits-AG werden für die Sitzungen und Veranstaltungen zum Thema von ihrer anderen Arbeit freigestellt. Das Museum ist jedoch 364 Tage im Jahr für Besucher:innen geöffnet. Beispielsweise wird die Arbeit der Mitarbeiter:innen aus der Vermittlung in dieser Zeit von den Kolleg:innen aufgefangen, die Arbeit anderer verzögert sich. Das lässt sich nur schwer durch eine neue Stelle auffangen, erklärt Fechner, denn es gilt viele Mitarbeiter:innen am Prozess zu beteiligen, die jeweils einen kleinen Teil ihrer Arbeitszeit aufwenden.

Fechner hofft, in Zukunft auf der einen Seite die Stärken des EHM, zum Beispiel die Kooperation mit den Aktivist:innen, weiter auszubauen. Auf der anderen Seite entstehen neue Fragen, denen das Haus sich stellen will. Zum Beispiel die Frage, ob es sinnvolle Projekt zur CO₂-Kompensation überhaupt geben kann oder nach dem Umgang von Museen mit den Klimafolgen. Die Mühlen der Behörden mahlen zwar langsam, aber Fechner beobachtet auch, dass sich etwas getan hat in den letzten Jahren. Zum Beispiel war es früher nicht möglich, auf den Dächern der historischen Altstadt Solaranlagen anzubringen. Heute können zumindest erste Ideen für die vom Boden nicht sichtbaren Flachdächer mit dem Denkmalamt diskutiert werden. Und so bleibt Fechner die Hoffnung – oder zumindest der Wunsch – nach einem kleinen Wald.

Autor:in: Lisa Schauerbeck
Foto: Culture4Climate
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