Das ist erst der Anfang

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Das ist erst der Anfang

Museum/Ausstellung | Programm 

Zeppelin Museum Friedrichshafen

„Öffentlich zugänglich, barrierefrei und inklusiv, fördern Museen Diversität und Nachhaltigkeit“ (vgl. ICOM Deutschland, 2023). Diese Passage der neuen Museumsdefinition des International Council of Museums (ICOM) erhebt das Thema Nachhaltigkeit zu einer zentralen Aufgabe von Museen. Als Vorstandsmitglied des ICOM Deutschland e. V. hat die Direktorin des Zeppelin Museums Friedrichshafen, Dr. Claudia Emmert, an der Definition mitgewirkt. Sie spricht dieser neuen Definition eine enorme Bedeutung zu: „Ich betone das immer mantrahaft: Das wird noch eine riesige Veränderung bewirken, zum Guten und Interessanten“. Auch an ihrem eigenen Haus ist der Nachhaltigkeitsprozess in vollem Gang.

Im Jahr 2019 gehörte Emmert zu den Erstunterzeichner:innen eines offenen Briefes an die damalige Beauftragte für Kultur und Medien der Bundesregierung, Monika Grütters. Die Unterzeichner:innen forderten darin eine zentrale Taskforce zur Unterstützung der nachhaltigen Ausrichtung der Museen (vgl. Monopol Magazin, 2019). Aus dieser Initiative entstand die AG Nachhaltigkeit des Deutschen Museumsbundes. Als Mitglied der AG wirkte Emmert auch an der Entwicklung des „Leitfaden Klimaschutz im Museum“ mit und sammelte dabei konkretes Wissen zur Implementierung einer Nachhaltigkeitsstrategie. Neben diesen kulturpolitischen Ereignissen entwickelte die Stadt Friedrichshafen eine Nachhaltigkeitsstrategie mit dem Ziel, bis 2050 klimaneutral zu werden (vgl. Friedrichshafen, 2023). Der Nachhaltigkeitsprozess des Zeppelin Museums wird– zum Teil auch finanziell – von lokalen Entwicklungen begünstigt. Der Auslöser des Prozesses ist, wie so oft, multifaktoriell.

Den Durchbruch für die Auseinandersetzung mit dem Thema Nachhaltigkeit brachte zum einen der drastische Anstieg der Gas- und Strompreise 2020.

 

Zum anderen erhöhte die Förderzusage im Rahmen des Fonds Zero der Kulturstiftung des Bundes für das Ausstellungsprojekt „Into the Deep“ den Druck, als Haus nachhaltiger zu werden. Die Förderung ist an strenge Auflagen gekoppelt. Gefordert ist u. a. eine CO₂-freie Durchführung des Projektes und vorausgesetzt wird eine dem Projekt vorausgehende CO₂-Bilanzierung (vgl. Kulturstiftung des Bundes, 2023).  Zunächst lag die Priorität also auf Maßnahmen, die Energieverbräuche senken. Mit dem nachhaltigen Ausstellungsprojekt stiegen dann auch die Ambitionen des Teams, das Thema strategisch zu behandeln.

Professionalisiert wurde das Vorhaben durch die Ausbildung einer Mitarbeiterin zur Transformationsmanagerin. Ihre Jobbeschreibung wurde angepasst, sodass sie nun zu 40 Prozent als Nachhaltigkeitsbeauftragte arbeitet und damit den Prozess des Hauses begleitet und steuert. Aber auch das Wissen, das Emmert aufgrund ihrer Tätigkeit bei ICOM und beim Deutschen Museumsbund mitbringt und die vielen digitalen Informationsangebote, die während der Pandemie entstanden, wurden genutzt. Die Strategie des Hauses zielt dar-auf ab, bis 2040 klimaneutral zu sein.

„INTO THE DEEP“

Schon für drei Jahre hat das Zeppelin Museum nun eine Klimabilanz erstellt. Die Bilanzierungen spiegeln den Nachhaltigkeitsprozess bisher kaum, da viele Zahlen aufgrund der Pandemie nicht repräsentativ sind. Emmert betont, dass sich in der Denkweise des Teams dafür umso mehr getan hat.

Die nachhaltige Produktion von „Into the Deep“ hat in allen Arbeitsbereichen dazu angeregt, anders zu denken und zu arbeiten. Bei der Ausstellungsarchitektur experimentiert das Museum mit wiederverwendeten Elementen alter Ausstellungen und zweckentfremdeten Objekten, wie Transportkisten für Äpfel, die in der Bodenseeregion viel zum Einsatz kommen.

Das weniger glatte Ausstellungsdesign ermutigte die Besucher:innen, die Interaktionsangebote anzunehmen. In den Räumen gehaltene Vorträge waren lebendiger als zuvor und die Hürden, sich aus dem Publikum zu beteiligen, schienen abgebaut, berichtet Emmert. Dabei gab es im Vorfeld Bedenken, das experimentelle Design könnte Besucher:innen abschrecken. Rückblickend ist diese Sorge mehr als unbegründet: „Man hat sich zu et-was gezwungen, das am Marktinteresse vorbeigeht“, resümiert Emmert.

UNGEWÖHNLICHE PARTNERSCHAFTEN MINDERN ENERGIEKOSTEN

Insgesamt wird nicht nur abteilungsübergreifend, sondern vermehrt in Netzwerken gedacht. Zum Beispiel wurde eine digitale Liste erstellt, in die verschiedene lokale Museen eintragen, welche Dinge die anderen Museen bei Ihnen leihen können. Eine andere Kooperation ist durch die Frage entstanden, wie die Installation von Solaranlagen am denkmalgeschützten Museumsgebäude gelingen kann. „Wir haben immer nur geschaut, wie wir unser Haus energiesparender ausrichten können“, berichtet Emmert. Die Frage wurde letztlich von den Bodensee Schiffsbetrieben (BSB) beantwortet. Die BSB arbeitet daran, den Friedrichshafener Hafen karbonfrei zu betreiben. Dazu werden Solaranlagen auf den Dächern der Werft installiert. Der Hafenbetrieb benötigt im Winter jedoch mehr Energie als im Sommer, beim Museums-betrieb ist das umgekehrt. So ergänzen sich die beiden Institutionen in der Nutzung des Solarstroms optimal.

Die Kooperationen des Museums wirken auch als Multiplikatoren der eigenen Nachhaltigkeitsbestrebungen. Zum Beispiel wurde die Museumsgastronomie an neue Pächter übergeben, die mit einer „Zero Waste“-Strate-gie arbeiten, biologisch kochen und ihre Lebensmittel so lokal wie möglich beziehen. Das Restaurant wird von vielen umliegenden Firmen für Weihnachtsfeiern u. ä. gebucht. Es bedient eine Nachfrage, von der vorher nicht bekannt war, dass sie besteht, weil es in der Gegend kein vergleichbares Angebot gab. Die Zeppelin-Wohl-fahrt, der bis heute das historische Arbeiterdorf „Zeppelindorf“ gehört, ist inspiriert von den Projekten zum Thema Urban Gardening und Selbstversorgung, die das Zeppelin Museum in den Gärten der Siedlung betreibt.

Bei Bauprojekten von z.B. Parkgaragen will die Zeppelin-Wohlfahrt deshalb in Zukunft Nutzgärten auf Dächern einplanen. Natürlich begegnet auch das Zeppelin Museum im Rahmen der Nachhaltigkeitsstrategie gewissen Herausforderungen. Im Gegensatz zu vielen anderen Kultureinrichtungen geht es aber weniger um finanzielle und zeitliche Ressourcen. Dafür hat Emmert dort Widerstände beobachtet, wo die Nachhaltigkeitsstrategie des Hauses die Mitarbeiter:innen persönlich betrifft: beim Thema Ernährung und Mobilität. Die Planung einer fleischlosen Betriebsfeier und die Abschaffung der vom Museum finanzierten Mitarbeiter:innenparkplätze wurden nicht von allen begrüßt und es mussten Kompromisse gefunden werden, hinter denen das Haus stehen kann, ohne die Interessen der Mitarbeiter:innen zu ignorieren.

MUSEEN DER ZUKUNFT AN IHRER GESELLSCHAFTLICHEN WIRKUNG MESSEN

Emmert ist überzeugt, dass die neue Museumsdefinition die Arbeit der Museen in Zukunft stark verändern wird. Die Tragweite der Integration von „Inklusion“, „Diversität“ und „Nachhaltigkeit“ sei vielen noch nicht klar. Mit dem Rückblick auf die alte Museumsdefinition, welche die Themen Vermittlung und Outreach auf die Agenda gesetzt hat, verweist sie auf die Bedeutung der Definition für die Zukunft der Museen. Sie ist außerdem überzeugt, dass sich Museen in Zukunft an ihrer gesellschaftlichen Wirkung messen lassen müssen. Die Frage ist daher, wie Museen gesellschaftliche Wirkung entfalten können. Ein großer Teil der Antwort liegt für Emmert in der Vernetzung mit anderen Akteur:innen. Das Zeppelin Museum arbeitet momentan mit anderen Museen und Universitäten an einer digitalen Plattform, auf der institutionenübergreifende Inhalte geteilt und gemeinsam Inhalte erarbeitet werden (vgl. Deutscher Museumsbund, 2023). Das Projekt soll dem Phänomen der digitalen Angebote entgegenwirken, die nach Ende einer Ausstellung „wie übermannte Raumschiffe durchs Netz rasen“, erklärt Emmert. Claudia Emmerts Blick in die Zukunft des Zeppelin Museums ist optimistisch. Auch die künftigen Ausstellungen sollen nachhaltig produziert werden. Eine herkömmliche Ausstellungsproduktion ist für das Team nicht mehr denkbar – zu viel Begeisterung herrscht für die neue Herangehensweise. Sie zitiert einen Leitsatz des Hauses: „Change ist immer“. Der Umgang mit Veränderung gehört hier also zum Arbeitsalltag. Für Emmert ist das die größte Stärke ihres Hauses.

Autor:in: Lisa Schauerbeck
Foto: Culture4Climate
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