Hilfe zur Selbsthilfe

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Hilfe zur Selbsthilfe

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Bundesverband Soziokultur e.V.

Soziokulturelle Zentren sind fester Bestandteil der Kulturlandschaft – und achten auf Klimaschutz. Dass sie es dabei nicht immer leicht haben, hat viele Gründe. Der Bundesverband Soziokultur e.V. bietet ihnen Hilfe zur Selbsthilfe an.

Auch ohne nähere Vorstellungen vom Begriff Soziokultur zu haben, dürften die meisten mit dem dahinterstehenden Phänomen vertraut sein. Bestes Beispiel: das Bürgerhaus um die Ecke, in dem man als Kind das erste Theaterstück gesehen, als Teenie seinen ersten Band-Auftritt hingelegt und später im soziokulturellen Zentrum in Kabarettabenden, Lesungen, Diskussionsveranstaltungen und Ausstellungen Anregungen fürs alltägliche Leben mitgenommen hat. Soziokulturelle Zentren, an denen Kunst und soziales Engagement eigenverantwortlich organisiert und in einem vielfältigen Programm zusammengeführt werden, gehören zu den lebendigsten Kulturorten überhaupt. Entstanden aus den unterschiedlichen bürgerlichen Sozial- und Protestbewegungen der 1970er-Jahre, bilden sie über die gesamte Bundesrepublik verteilt ein dichtes Netz. Rund 780 Mitglieder zählt derzeit der Bundesverband Soziokultur mit Sitz in Berlin.

Klimaschutz ist eng mit der Soziokultur verbunden, doch es braucht Systematisierung

Eng verbunden mit der Geschichte der Soziokultur als „alternativer“ Kultur in Deutschland ist die der Umwelt- und Klimaschutzbewegung und mit ihr der Einsatz für soziale Gerechtigkeit und die Belange von Minderheiten. Während anderswo auf diesen Feldern erst nach und nach ein Bewusstsein entsteht, gehört das Thema Nachhaltigkeit in soziokulturellen Zentren schon seit Jahrzehnten zum Selbstverständnis. Oft sind in den prekär ausgestatteten, zumeist durch ehrenamtliche Arbeit getragenen Einrichtungen die Wünsche größer als die Möglichkeiten; oder Zeitdruck und geringe Kapazitäten erschweren es, langfristige Strategien zu entwickeln und viele wissen bei diesem komplexen Thema nicht, wie sie konzertiert starten sollen. „Viele denken als erstes an eine neue Photovoltaikanlage“, sagt Franziska Mohaupt, die Referentin für nachhaltige Entwicklung beim Bundesverband. Photovoltaik sei unzweifelhaft eine gute Sache, und dank der Größe solcher Anlagen ein deutlich sichtbares Zeichen für Transformation. Doch ehe ein so aufwändiges und trotz aller Förderungen für viele Zentren nicht eben erschwingliches Projekt in Angriff genommen werde, böte es sich für die meisten doch an, zunächst andere, zwar weniger auffällige, aber unmittelbar umsetzbare Maßnahmen anzugehen.

Was es hierzu braucht? Hilfe zur Selbsthilfe, wie beispielsweise die vom Bundesverband entwickelte Handreichung „Nachhaltige Digitalisierung“ – und einen Überblick, den Mohaupt dank ihrer umfassenden Expertise bieten kann. „Wir möchten soziokulturelle Einrichtungen dabei unterstützen, Nachhaltigkeit systematisch in ihren Betrieb zu integrieren“, sagt die ausgebildete Umweltingenieurin und Organisationsentwicklerin. Zusammen mit Mitarbeiter:innen der Landesverbände bildet sie eine Arbeitsgruppe, die Beratungs- und Qualifizierungskonzepte für die verbandlich organisierten soziokulturellen Zentren und Initiativen entwickelt; weiterhin sitzt sie im Fachausschuss Nachhaltigkeit des Deutschen Kulturrats und treibt eine Aufnahme des Bundesverbands Soziokultur ins „Aktionsnetzwerk Nachhaltigkeit“ voran. Gleichzeitig steht sie für persönliche Beratung vor Ort zur Verfügung.

„Wir möchten soziokulturelle Einrichtungen dabei unterstützen, Nachhaltigkeit systematisch in ihren Betrieb zu integrieren.“

Um einen Ausgangspunkt für die systematische Weiterentwicklung seiner Beratungstätigkeit zu haben, hat der Bundesverband Soziokultur 2022 schon zum zweiten Mal in seiner alle zwei Jahre stattfindenden Mitgliederbefragung das Thema Nachhaltigkeit in den Fokus gerückt. Die Ergebnisse liegen in Form einer Online-Broschüre mit dem Titel „Das braucht‘s – Nachhaltige Entwicklungen in der Soziokultur“ vor. Neben dem erwartungsgemäß hohen allgemeinen ökologischen und sozialen Nachhaltigkeitsbewusstsein fällt positiv vor allem der konkrete Umstand ins Auge, dass bereits jetzt bis zu 75 Prozent der in den Landesverbänden organisierten Zentren und Initiativen ihre Konsumentscheidungen nach ethischen und ökologischen Gesichtspunkten treffen und das Thema Nachhaltigkeit auch programmatisch in ihrem Angebot für ihre Nutzer:innen verankert haben. Auch durch den wertschätzenden Umgang mit ihren Mitarbeitenden zeichnen sich die Zentren aus. Je kostenintensiver es wird, desto problematischer allerdings stellt sich die Ausgangslage dar, um wirklich strukturelle Veränderungen anzustoßen.

Energetische Sanierung von Gebäuden als große Herausforderung

Ein besonders heißes Eisen ist, wie praktisch in allen größeren Kultureinrichtungen, der Energiebedarf und der damit verbundene CO₂-Ausstoß. Als Mieter:innen bzw. Pächter:innen von Gebäuden in öffentlichem oder privatem Eigentum haben viele der Zentren kaum einen Einfluss auf die Art der Energiegewinnung und sind an die Verträge gebunden, die ihre Vermieter:innen oder Verpächter:innen abschließen. Hinzukommt, dass Soziokultur Fabrikgebäude und andere ehemalige Industriestandorte wiederbelebt hat, die häufig einen niedrigen energetischen Standard aufweisen. Immerhin ein Viertel der Zentren, die selbst Gebäudebesitzer:innen sind, betreiben schon jetzt Heizungsanlagen mit erneuerbarer Energie.

„Das ist für viele schon deshalb schwierig, weil sie gar nicht wissen, welche Förderanträge sie stellen müssten“, sagt Franziska Mohaupt.

Woran es allgemein oft mangelt, ist ein systematisches, umfassendes, meist aber nur durch zusätzlichen Personalaufwand und finanzielle Förderung zu stemmendes Nachhaltigkeitsmanagement. „Das ist für viele schon deshalb schwierig, weil sie gar nicht wissen, welche Förderanträge sie stellen müssten“, sagt Franziska Mohaupt „Oft gibt es einfach auch gar nicht die passenden Angebote.“ Deshalb ist die regelmäßige Recherche zu Fördermöglichkeiten für Nachhaltigkeitsthemen und die gezielte Verbreitung eine wichtige Aufgabe. Der Bundesverband veröffentlicht aktuelle Ausschreibungen auf seiner Webseite. Außerdem zeigt sich, auch bei diesem Thema, wie wichtig die kulturpolitische Arbeit ist, die Mohaupt und der Bundesverband generell leisten.

„JetztInZukunft“: Hilfe dank Leitfaden

Eine zentrale Aufgabe ist außerdem die Vermittlungsarbeit, wenngleich der Austausch mit den soziokulturellen Zentren hauptsächlich über die Landesverbände läuft, in denen sie Mitglied sind. „Begriffe wie ‚Indikatoren‘ ‚Monitoring‘ und ‚Effizienz‘ sind zwar den Einrichtungen im Kontext von Förderanträgen geläufig, allerdings weniger im Kontext von einer wirksamen Betriebsökologie“, sagt Franziska Mohaupt. Neben ihren strategischen Erfahrungen kann sie auch auf wissenschaftliche Vorarbeiten aufbauen, und zwar in Form des Forschungsprojekts „Jetzt in Zukunft“, das der Bundesverband unter Federführung des Instituts für Kulturpolitik der Universität Hildesheim mitbearbeitet hat. Die Ergebnisse wurden im September 2020 unter der Überschrift „JetztInZukunft: Nachhaltigkeitskultur entwickeln. Praxis und Perspektiven soziokultureller Zentren“ veröffentlicht. Auf ihm fußt auch ein 2021 herausgegebener „Nachhaltigkeitskodex der Soziokultur“: ein Leitfaden, der fünf Wirkungsfelder und 17 Kriterien für eine Transformation zur Nachhaltigkeit in der Soziokultur benennt und an dem sich die Zentren schon jetzt orientieren können.

„Die meisten soziokulturellen Zentren sind neben dem, was sie durch ihr Programm selbst erwirtschaften, auf öffentliche Unterstützung angewiesen“, sagt Franziska Mohaupt. „Diese aber wird sich in Zukunft immer stärker nach der Einhaltung bestimmter Nachhaltigkeitskriterien richten.“ Daher sei es sinnvoll, schon jetzt dort, wo es unmittelbar möglich ist, zu investieren. Das Beratungsangebot des Bundesverbands Soziokultur e.V. sowie seiner Mitgliedsverbände leistet schon jetzt eine wichtige Unterstützung dabei. Um diese Unterstützung noch effektiver zu gestalten, sagt Franziska Mohaupt, wäre es für den Verband gut, auf langfristig angelegte personelle Strukturen zurückgreifen zu können. Wichtige Transformationsprozesse lassen sich eben nicht nebenbei erledigen, sondern erfordern klar verteilte Kompetenzen, Kapazitäten und Investitionsmittel für die Umsetzung.

Autor:in: Stephan Schwarz-Peters
Foto: Culture4Climate
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