In der Kür glänzen

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Musik/Festival | Förderung 

Augsburger Modular Festival

Beim Augsburger Modular Festival, dem größten Non-Profit-Festival für Pop- und Jugendkultur in Bayerisch-Schwaben, steht nicht nur die Musik im Vordergrund. Von den Herausforderungen einer Open-Air-Veranstaltung in geschützter Naturumgebung angespornt, hat es sich heute zum Vorzeigefestival in Sachen Nachhaltigkeit entwickelt.

Wer feiert, möchte sich dem Moment hingeben, Musik hören, Tanzen, mit anderen zusammen Spaß haben. Für Vogelbrutpflege oder Baumwurzelschutz ist man dabei meist wenig empfänglich, selbst wenn man sich in einem Landschaftsschutzgebiet wie dem Wittelsbacher Park in Augsburg befindet. Hier war zwischen 2012 und 2018 das Modular Festival zu Hause, das größte gemeinnützige Jugend- und Popkulturfestival der Region. „Aus heutiger Sicht ist da am Anfang nicht alles optimal gelaufen“, so die kritische Bilanz von Festivalleiter Patrick Jung. Zertrampelter Rasen, beschädigte Bäume, aufgeschreckte Tiere und viel zu viel Müll stellten die vom Stadtjugendring initiierte, ursprünglich als reiner Indoor-Event konzipierte Veranstaltung vor enorme Herausforderungen. Jung, damals für Logistik und Infrastruktur zuständig, sah sich gemeinsam mit dem gesamten Modular-Team von mehreren Seiten in die Pflicht genommen: zum einen von den Auflagen des städtischen Amts für Grünordnung, Naturschutz und Friedhofswesen, zum anderen von aufgebrachten Anwohner:innen, die sich um das ökologische Gleichgewicht der beliebten Parkanlage sorgten, aber auch von ihrem eigenen Ehrgeiz, als partizipatives Festival mit leuchtendem Beispiel beim Thema Nachhaltigkeit voranzugehen.

„Aus heutiger Sicht ist da am Anfang nicht alles optimal gelaufen.“

„In dieser Zeit, in den Jahren 2015/16 hat ökologische Nachhaltigkeit zum ersten Mal großen Raum in meiner Arbeit als Veranstaltungskaufmann eingenommen“, sagt Jung. Beherzt gingen die Festivalmachenden ans Werk. Große Flächen des Parks wurden als Sperrzonen ausgewiesen, zusätzlicher Bodenschutz wurde angebracht, um die schnellere Regeneration beanspruchter Wiesenflächen zu gewährleisten, ein Monitoring stellte sicher, dass brütende Vögel weder durch das dreitägige Festival selbst noch durch den Auf- und Abbau beeinträchtigt wurden. Da sie gerade dabei waren, nahmen die Organisator:innen neben dem Landschaftsschutz noch eine Reihe weiterer Nachhaltigkeitsaspekte in ihre Überlegungen mit auf: Die „üblichen Verdächtigen“, wenn man so will, die auch anderen Festivals während der Durchführung sowie bei der Vor- und Nachbereitung für großes Kopfzerbrechen bereiten: CO₂-Ausstoß durch Betrieb und Mobilität, Ressourcenverbrauch und Müll, aber auch Fragen der Barrierefreiheit und Awareness. Um all diese Schwerpunkte systematisch angehen zu können, gründete sich ein Projektteam, das einen Ankerpunkt in der lokalen Agenda 21 und dem städtischen Büro für Nachhaltigkeit in Augsburg fand. Deren Zukunftsleitlinien boten dem Modular Festival eine Orientierung beim weiteren Vorgehen.

Ganzheitlich ökologisch handeln bringt Aufmerksamkeit

„Wir wollten nicht mit der Pflicht aufhören, sondern auch in der Kür glänzen“, sagt Patrick Jung. „Also haben wir uns zunächst bei der Technik umgesehen und gemeinsam mit den örtlichen Stadtwerken dafür gesorgt, dass wir Feststromanbindungen bekommen – und zwar Regio-Strom, der zu 100 Prozent aus Wasserkraft stammt –, damit unsere Bühnen nicht mehr mit Dieselaggregaten betrieben werden müssen.“ Statt herkömmlicher Sanitärlösungen sattelte das Modular Festival auf Kompost-Toiletten um, bei denen die Hinterlassenschaften der Festivalbesucher:innen nicht mittels Wasserspülung, sondern durch tätig mithelfende Mikroorganismen entsorgt und in wertvollen Humus verwandelt werden. „Dadurch konnten wir in drei Jahren rund eine Viertelmillionen Liter Wasser einsparen“, berichtet Patrick Jung stolz. Hatte man dem Thema Mülltrennung in den Anfangsjahren eher „nur mittlere Aufmerksamkeit“ geschenkt, wurde auch in dieser Beziehung fundamental weitergedacht. Und zwar mithilfe des Abfallwirtschaftsamts Augsburg, das gemeinsam mit dem Festivalteam ein völlig neues Recycling-Konzept entwickelte.

„Dadurch konnten wir in drei Jahren rund eine Viertelmillionen Liter Wasser einsparen.“

Nicht nur, dass heute bessere und sichtbarere Beseitigungsmöglichkeiten in Form von sogenannten Müllinseln für die Festivalteilnehmenden vorhanden sind. Auch sollen bestimmte Wegwerfmaterialien mittlerweile gar nicht erst auf das Festivalgelände gelangen. „Das klären wir vorab auch bei Vertragsverhandlungen mit Gastronomiebetreibenden ab“ – die, nebenbei gesagt, aus der näheren Umgebung stammen und, auch darin klimafreundlich, ausschließlich vegetarische Speisen anbieten. Sollte doch einmal etwas in der falschen Tonne oder im Gebüsch gelandet sein, steht mit den „trash heroes“ ein Arbeitskreis aus freiwilligen Helfer:innen zur Verfügung, der noch einmal einen Blick auf die Mülltrennung wirft – auch, damit Pfandgelder auf recycelbare Gegenstände und Materialien rückerstattet werden können und das Festival keinen monetären Schaden erleidet. „Mit der Zeit sind wir so zu einem umfassenden Katalog an Nachhaltigkeitsmaßnahmen gekommen, mit denen wir das Festival zukunftsfähig machen konnten“, sagt Patrick Jung. Der Erfolg dieser Bemühungen blieb auch bei der Stadt Augsburg nicht unbemerkt, die dem Modular Festival im Jahr 2018 den Zukunftspreis zusprach; weitere ähnliche Auszeichnung folgten, auch nachdem das Festival vom Wittelsbacher Park auf das Gelände des ehemaligen Gaswerks im Augsburger Stadtteil Oberhausen umgezogen war.

Maßnahmen haben CO₂ Verbrauch um zwei Drittel reduziert

Um zu erfahren, wie die Maßnahmen greifen, bedarf es vergleichender Zahlen. Abgesehen von den Daten zum Wasserverbrauch und zum Anfall von Restmüll (der sich seit 2017 von jährlich 16 Tonnen auf 5 Tonnen verringert hat), hat das Modular Festival im Jahr 2022 mit Hilfe des städtischen Umweltamts und des Büros für Nachhaltigkeit erstmals einen CO₂-Rechner eingesetzt, der sich an den Vorgaben von Nachhaltigkeitsorganisationen wie Julie´s Bicyle oder Greenpeace orientiert. Geachtet wurde dabei auf sämtliche Einzelbereiche des Festivals, sowohl vor als auch auf und hinter den Bühnen. Dazu gehören neben dem Energiebetrieb auch Mobilität, Verpflegung, Übernachtung sowie Beschaffung und Digitales. Wie viel wohl verbraucht ein dreitägiges Festival mit durchschnittlich 30.000 Besuchenden, 450 ehrenamtlichen Kräften im Hintergrund, Dutzenden Bands und einem umfangreichen Gastronomieangebot an CO₂, selbst wenn es aktiv auf Nachhaltigkeit achtet? Im Fall des Modular Festivals sind es für die Ausgabe 2022 rund 362 Tonnen – ein vergleichsweiser geringer Wert, „und er bezieht sich auf das gesamte Jahr, inklusive Vor- und Nachbereitung“, ergänzt Patrick Jung.

Herausforderungen Verpflegung und Mobilität

Während etwa die Energieversorgung mit 48 Tonnen CO₂ einen erfreulich geringen Anteil an der Gesamtbilanz hat, schlagen die Bereiche Verpflegung und Mobilität mit 148 bzw. 139 Tonnen umso mehr zu Buche. In beiden Fällen ist der Einfluss des Festivals begrenzt. Ausgehend von Befragungen, die die Universität Augsburg in Kooperation mit den Veranstaltenden durchgeführt hat, ergibt sich eine Datenlage, nach der viele Besucher:innen bei ihren selbstmitgebrachten Speisen und Getränken weniger Wert auf Nachhaltigkeit legen. Auch bei den von Festivalseite angebotenen Waren könne man nachhaltige Aspekte nur bis zu einem gewissen Grad beachten. Es bedürfe einer Transformation der Privatwirtschaft, etwa der Brauereien.

„Wenn wir das schaffen, können wir unseren CO₂-Verbrauch um rund 50 weitere Tonnen reduzieren.“

Was die Mobilität angeht, so steuern hier die Besuchenden mit 95,5 Tonnen den Löwenanteil zur CO₂-Emission bei – was vor allem aber an den Autofahrenden liegt, die an sich wiederum nur 18 Prozent ausmachen. Patrick Jung möchte auch hier zum Umdenken anregen und weitere Anreize setzen, dass auch diese Publikumsschicht in Zukunft auf ÖPNV oder Fahrrad umsteigt: „Wenn wir das schaffen, können wir unseren CO₂-Verbrauch um rund 50 weitere Tonnen reduzieren.“

Autor:in: Stephan Schwarz-Peters
Foto: Lisa Seifert und Max Tank
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