Das Museum für Kunst und Gewerbe (MK&G) hat 2022 im Rahmen des Projektes „Elf zu Null – Hamburger Museen handeln“ den Startschuss eines umfassenden betrieblichen Nachhaltigkeitsprozesses gesetzt. Geschäftsführer Alexander Stockinger erzählt im Gespräch, wie er das Thema ganzheitlich verankern möchte und wo er das größte Veränderungspotenzial seines Hauses sieht.
Das MK&G ist im vergangenen Jahr besonders als federführende Institution des Projektes „Elf zu Null – Hamburger Museen handeln“ aufgefallen. Das vom Aktionsnetzwerk Nachhaltigkeit unterstützte und der Hamburger Behörde für Kultur und Medien geförderte Projekt hatte zum Ziel, „die Nachhaltigkeitstransformation in den Museen konsequent und langfristig voranzubringen“. Neben dem MK&G wurden zehn weitere Hamburger Museen dabei unterstützt eine Klimabilanz zu erstellen und zwanzig Mitarbeiter:innen wurden zu Transformationsmanager:innen ausgebildet. „Elf zu Null“ wurde bereits Anfang 2023 in den Kulturpolitischen Mitteilungen 1/2023 vorgestellt und die Ergebnisse der Bilanzierungen wurden auf der Website des Projekts transparent gemacht.
Nachhaltigkeitstransformation als ganzheitlichen Prozess verstehen
„Elf zu Null“ ist jedoch weder der Anfang, noch das Ende der Nachhaltigkeitstransformation des MK&G. Schon länger greift das Museum mit seinen Ausstellungen gesellschaftsrelevante Themen mit direkten Bezügen zu Klima- und Umweltschutz auf. Auch etliche betriebliche Maßnahmen wurden in der Vergangenheit bereits realisiert, damals jedoch eher unter dem Vorzeichen des Energie- und damit Kostensparens, so Alexander Stockinger. Er selbst ist seit 2021 am Haus und treibt den Nachhaltigkeitsprozess seither maßgeblich voran. Die nachhaltige Ausrichtung des Hauses sieht er als originären Teil seiner Aufgabe. Nachhaltigkeit ist für ihn nicht – zumindest nicht nur – eine Frage der Moral, sondern auch eine wirtschaftliche Frage und eine Frage der Compliance – also des Einhaltens von Regeln und Gesetzen – und damit Kernaufgabe der Geschäftsführung. Er versteht die Nachhaltigkeitstransformation als einen ganzheitlichen Prozess, der nichts weniger als die Neuerfindung des Hauses bedeutet: „[Die Nachhaltigkeitstransformation] ist ein generelles Umdenken und im Prinzip auch eine Art Neuerfindung unserer Institutionen unter dem Vorzeichen der Klimakrise“.
Auf der Ebene des strategischen Managements arbeitet das Team daher momentan an der Fertigstellung eines Maßnahmenkatalogs, der die verschiedenen Handlungsfelder wie Programm, Energie, Wasser, Mobilität, Materialbeschaffung- und Kreisläufe etc. abbildet. Sämtliche Maßnahmen werden einem Umsetzungszeitraum zugeordnet. Dazu wurden drei Zeithorizonte definiert: unterschieden wird zwischen kurzfristigen (1–2 Jahre), mittelfristigen (2–4 Jahre) und langfristigen Maßnahmen (4–7 Jahre). Beim Thema Finanzierung wirkt Stockinger zwar zuversichtlich – „das Geld ist da, man muss es nur finden“ – aber alles lässt sich trotzdem nicht auf einmal machen. Diese zeitliche Zuordnung der Maßnahmen ist daher nicht zuletzt ihrer Finanzierung geschuldet. Sie erleichtert aber auch die Überprüfung des Nachhaltigkeitsprozesses und ermöglicht den Blick zurück auf abgeschlossene Maßnahmen und damit die Würdigung der bereits erbrachten Leistung.
Implementierung im ganzen Haus durch Verteilung von Zuständigkeiten
Den „Motor“ für den Veränderungsprozess bildet ein vierköpfiges Team, bestehend aus Vertreter:innen der künstlerisch-wissenschaftlichen und technischen Seite sowie der Geschäftsführung. Das Ziel ist jedoch, nach und nach, das gesamte Team einzubinden. Von Seiten der Leitung bestand Einigkeit darüber, die Aufgabe der Transformation nicht an eine eigens geschaffene Stelle zu delegieren, sondern die Arbeit aller Mitarbeiten:innen mit der Nachhaltigkeitsstrategie des Hauses überein zu bringen. Stockinger hält nicht viel davon, Arbeitszeit in den Stellenbeschreibungen für den Nachhaltigkeitsprozess umzuwidmen. Es gehe schließlich nicht darum, andere Dinge zu tun, sondern darum, die Dinge anders zu tun. Um mehr und mehr Mitarbeitende einzubinden, sollen Informationsformate angeboten werden, gefolgt von Formaten, bei denen konkrete Verantwortungen verteilt werden. Stockinger setzt darauf, die Mitarbeitenden umfassend über den Gesamtprozess, den Stand der Dinge und die anstehenden Maßnahmen zu informieren. So sollen sie dazu befähigt werden, Verantwortung zu übernehmen, Maßnahmen umzusetzen, die ihren Fähigkeiten und Interessen entsprechen und sogar eigene Ideen zu entwickeln.
Nach außen wurde das Thema Nachhaltigkeit und Klimaschutz bisher vor allem auf der Programmebene kommuniziert. Über das Projekt „Elf zu Null“ wurden nun erstmalig auch betriebliche Aspekte der Nachhaltigkeit Gegenstand der externen Kommunikation. Dieser Aufgabe will sich das Haus in Zukunft verstärkt annehmen.
Klimaschutz lässt sich besser durch starke Partnerschaften erreichen
Das „Elf zu Null“-Netzwerk dient dem MK&G zum einen als Austauschplattform. Für Stockinger ist das Bilden von solchen Partnerschaften ein entscheidender Schritt, um den Transformationsprozess zu beschleunigen: „Beim Thema Nachhaltigkeit gibt es für mich kein Ego. Ich freue mich, wenn wir gut vorankommen, aber wenn jemand anderes schneller ist oder eine bessere Idee hat, dann immer her damit“. Zum anderen stärkt diese Partnerschaft die Lobby der Museen. So haben beispielsweise alle elf am Projekt beteiligten Häuser den gleichen Vermieter, dem gegenüber man gemeinsam ganz anders auftreten könne.
Wie wichtig die richtigen Partnerschaften sind, zeigt sich auch darin, dass es nicht immer leicht ist, sie zu finden und auf dasselbe „Betriebstempo“ zu bringen, mit dem man unterwegs ist, so Stockinger. Eine oft genannte Herausforderung bei Transformationsprozessen, das Fehlen von zeitlichen und finanziellen Ressourcen, treffe am MK&G weniger zu. Für Stockinger ist es eher eine Frage er Priorisierung und der Bereitschaft, an anderen Stellen mit geringeren Mitteln auszukommen. Gegenüber den Mitarbeiter:innen kommuniziert er, welche Priorität das Thema Nachhaltigkeit für das Haus hat, sodass entsprechende Aufgaben nicht erst erledigt werden, wenn alles andere getan ist. Statt auf optimale Konditionen zu warten ist sein Motto, lieber weniger perfekt, als gar nicht anfangen. Auf die Frage, ob es denn die technischen Lösungen überhaupt gibt, die das Museum für eine nachhaltige betriebliche Neuausrichtung braucht, berichtet er begeistert von einem smarten Gebäudemanagementsystem. Dies kann anhand von Wetterdaten die Kühlung bzw. Heizung reguliert und damit garantiert 30 % Energie einsparen. Dieses System wird momentan geprüft und soll dann am Haus eingesetzt werden. Natürlich gebe es bei den technischen Lösungen immer irgendwo Luft nach oben, aber im Großen und Ganzen ist die Frage für Stockinger eher, welche Veränderungen sich auf Ebene der Verfahren vornehmen lassen. Zum Beispiel geht der internationale Leihverkehr mit einer großen Menge an Emissionen einher und es gibt bisher wenig Möglichkeiten, das zu ändern. Bei so einem Thema muss ein Haus sich fragen, ob es weiterhin international operieren möchte. Auch das Digitalisieren der Sammlung – ein Arbeitsschwerpunkt des MK&G – verursacht eine Menge Daten, die auf Servern energieintensiv gespeichert werden müssen.
Die ökologische Transformation des Betriebs hat durch die im Projekt „Elf zu Null“ erarbeitete CO₂ Bilanz eine Datengrundlage und durch den nun entwickelten Maßnahmenkatalog eine konkrete Form angenommen. Stockinger ist dieser Schritt sehr wichtig, denn die über das Programm vermittelte Haltung nach außen möchte er auch hinter den Kulissen widerspiegeln. Das viel größere Potenzial, eine positive Wirkung auf das Klima zu erzielen, sieht er jedoch bei den Inhalten des Programms. Als Museum für Kunst und Gewerbe hat das Haus einen Blick auf die Welt als gestalteten und gestaltbaren Raum, erklärt Stockinger und verweist auf die Vision des Hauses, die in einem Satz auf den Punkt gebracht wurde: „Wir fordern uns und euch heraus, gemeinsam die Gestaltung der Welt zu hinterfragen und neu zu denken“. Diese Gestaltungsmöglichkeiten will das Haus nun im Sinne der Nachhaltigkeit aktiv wahrnehmen.