Transformation wird in der Stadtteilbibliothek Pankow großgeschrieben. Nachdem 2019 die erste Klimabilanz erstellt wurde, sind bereits viele Maßnahmen in der Umsetzung. Von einem Foodsharingschrank, Lastenräderverleih bis zu nachhaltiger Beschaffung – es wird an vielen Stellschrauben gedreht. Tim Schumann, Nachhaltigkeitsbeauftragter, gibt Einblicke in die transformatorischen Prozesse der Bibliothek.
In den letzten Jahren haben Bibliotheken hart, aber größtenteils erfolgreich gegen ihr altes, „verstaubtes“ Image gearbeitet. Sie sind vielfältige Orte geworden und haben sich von stillen Leseorten zu lebendigen Treffpunkten gewandelt, die manchmal sogar Raum für DIY- (Do-it-yourself) und Do-it-together-Aktivitäten in Makerspaces bieten. Das gute alte Buch gibt es dort zwar immer noch, aber eben oft noch sehr viel mehr (E-Books, Bibliothek der Dinge, Saatgutbibliothek etc.). Daher ist es nicht überraschend, dass die Besucherzahlen stetig steigen, obwohl die Buch-Ausleihen rückläufig sind.
Die Stadtteilbibliothek Pankow hat sich dem großen Schwerpunkt „Transformation“ verschrieben. Jeder der acht Standorte soll dabei als Reallabor eines Transformationsbereichs fungieren. Umweltschutz und Nachhaltigkeit sind die Themen, mit denen Tim Schumann und sein Team der Heinrich-Böll Bibliothek Pankow die große Transformation unserer Gesellschaft unterstützen will.
Intern gibt es grundsätzlich gegenüber dem Schwerpunkt Nachhaltigkeit eine große Offenheit. Es ist aber kein Geheimnis, dass öffentliche Institutionen eher „veränderungsscheue“ Umgebungen sind. Vermeintliche Kleinigkeiten wie die Umstellung auf 100 % Ökopapier sind nicht überall auf Gegenliebe gestoßen und haben zu unerwartetem Widerstand geführt – wenn auch nur temporär. Ähnliches passierte bei der Reduzierung der Kopiergeräte. Solche Veränderungen erfordern eine Anpassung des Mindsets der Beschäftigten und das wiederum braucht Zeit. Bislang geschehen die großen internen Veränderungen daher überwiegend durch Top-Down-Prozesse. Durch demografische Änderungen im Team ist aber ein Bewusstseinswandel zu beobachten, da gerade für junge Menschen Nachhaltigkeit ein zentrales Thema ist. Tim Schumann sieht das als Chance bei Neueinstellungen, wo er großen Wert darauf legt, welche Rolle das Thema Nachhaltigkeit für die Bewerber:innen spielt.
Um die hierarchieorientierten Top-Down-Veränderungsprozesse langfristig zu überwinden, ist aktuell eine AG Nachhaltigkeit im Aufbau. Als Nachhaltigkeitsbeauftragter setzt Tim Schumann weiterhin den Rahmen und die Mitglieder der AG kommunizieren in die Standorte hinein und spielen Impulse aus den Häusern zurück. So soll das Thema stärker Bottom-Up in die Breite gelangen und motivierte Kolleg:innen aktivieren. Dafür bedarf es zumindest einer Handvoll Change Leader. Einen „Laberclub“ möchte Tim Schumann mit dieser neuen personellen Struktur unbedingt vermeiden, weshalb die AG Mitglieder mit einem konkreten Arbeitsauftrag ausgestattet werden: Die Einführung dieser neuen Struktur wird mit der Erstellung einer Gemeinwohlbilanz verknüpft.
Es ist aber kein Geheimnis, dass öffentliche Institutionen eher „veränderungsscheue“ Umgebungen sind. Vermeintliche Kleinigkeiten wie die Umstellung auf 100% Ökopapier sind nicht überall auf Gegenliebe gestoßen und haben zu unerwartetem Widerstand geführt – wenn auch nur temporär.
Wie wird eine Bibliothek wirklich „grün und nachhaltig“?
In der Heinrich Böll hat eine Sammelbox zur Entsorgung alter Handys den Anfang gemacht. 2019 folgte die 1. Klimabilanz, um den Blick für die großen Emissionstreiber einer Bibliothek zu schärfen. Die 2. Klimabilanz im Rahmen des Fonds Zero Projekts der Kulturstiftung des Bundes war noch etwas umfangreicher und der Fokus wurde verstärkt auf eingekaufte Materialien und deren Verbräuche gelegt. Mit diesem strategischen Werkzeug wurde ein Fahrplan für eine 100 % nachhaltige Beschaffung entwickelt, einschließlich der Auswahl von umweltfreundlichen Labels für z. B. die Buchfolierung. Mittlerweile wurden die ersten Beschaffungen gemacht, wo nicht mehr der Preis ausschlaggebend war, sondern ökologische Kriterien.
Durch demografische Änderungen im Team ist aber ein Bewusstseinswandel zu beobachten, da gerade für junge Menschen Nachhaltigkeit ein zentrales Thema ist.
Tim Schumann sieht das als Chance bei Neueinstellungen, wo er großen Wert darauf legt, welche Rolle das Thema Nachhaltigkeit für die Bewerber:innen spielt. Bei allem Tun ist die Einbindung der Stakeholder und der Community ein wichtiger Aspekt. Beispiel Plastikfolienverbrauch: Ende August veranstalteten sie einen „Green Library Life Hack“, bei dem Partner:innen aus dem Bereich Ökologie und Umweltschutz die Arbeitsprozesse der Bibliothek gezeigt wurden, um gemeinsam nach nachhaltigen Alternativen zu herkömmlicher Plastikfolie zu suchen. So soll das Thema stärker Bottom-Up in die Breite gelangen und motivierte Kolleg:innen aktivieren. Dafür bedarf es zumindest einer Handvoll Change Leader.
Das Konzept des Leihens als DNA von Bibliotheken ist bereits auf Ressourcenschonung ausgerichtet. Diesen Gedanken möchte die Heinrich Böll Bibliothek noch ausweiten und in die Community des Stadtteils hineinwirken. Der Foodsharingschrank ist mittlerweile ein fester Bestandteil der Bibliothek, genauso wie der Lastenräderverleih. Es soll selbstverständlich werden, dass die Menschen in die „Bibliothek der Dinge“ in der Heinrich Böll gehen, wenn sie eine Popcornmaschine für den Kindergeburtstag oder Werkzeuge zum Abschleifen von Omas alter Kommode benötigen. Im nächsten Jahr werden die Leihgegenstände sogar mit Informationen versehen, wie viel CO₂ die Ausleiher:innen eingespart haben. Gespartes Geld UND gutes Gefühl!
Das Konzept des Leihens als DNA von Bibliotheken ist bereits auf Ressourcenschonung ausgerichtet. Diesen Gedanken möchte die Heinrich Böll Bibliothek noch ausweiten und in die Community des Stadtteils hineinwirken.
Wie sieht die Bibliothek in der Zukunft aus? – Umweltfreundlich und sozial
Das große transformatorische Potenzial von öffentlich finanzierten Bibliotheken sieht Tim Schumann in ihrer Infrastruktur. Ähnlich wie im amerikanischen und skandinavischen Raum bereits der Fall, haben Bibliotheken ein fast einmaliges Potenzial zu Orten des (kostenlosen) Zugangs zu werden: Zugang zu Information, Räumlichkeiten, Zivilgesellschaft, Kühlung und Wärme. Ähnlich wie im amerikanischen und skandinavischen Raum bereits der Fall, haben Bibliotheken ein fast einmaliges Potenzial zu Orten des (kostenlosen) Zugangs zu werden: Zugang zu Information, Räumlichkeiten, Zivilgesellschaft, Kühlung und Wärme.
Bereits jetzt dienen manche Bibliotheken im Sommer als Kühlungscenter und seit letztem Winter ist die Stadtteilbibliothek Pankow Teil des „Netzwerks der Wärme“. Dafür wurden die Öffnungszeiten massiv ausgeweitet, um Menschen in der Bibliothek einen warmen Ort zum Verweilen zu bieten. Abends proben dort Chöre oder es finden Sprachkurse für Geflüchtete statt. Es gibt sogar Überlegungen und erste Entwürfe für einen öffentlichen Dachgarten sowie eine Werkstatt und Band-Proberäume im Keller. Obwohl die Bezirksverwaltung Pankow 2021 den Klimanotstand ausgerufen hat, bleibt es weiterhin eine Herausforderung, Unterstützung aus der Verwaltung für transformatorische Maßnahmen zu bekommen. Gleichzeitig ist der Umstand des Klimanotstands ein Argument, mit dem schon viele Forderungen erreicht werden konnten.
Was braucht es für die Bibliothek der Zukunft?
Es ist offensichtlich, dass die Transformationsziele der Heinrich Böll Bibliothek nicht allein durch die Optimierung bestehender Prozesse und Strukturen erreicht werden. Es braucht konkrete Prozessmusterwechsel. Der Aufbau und die Betreuung von Foodsharingschrank und Makers Space, der Lastenrädernverleih, die Erweiterung und Betreuung der Bibliothek der Dinge etc. erfordern zusätzliche Arbeitszeit. Diese zeitlichen Kapazitäten seien eigentlich da, denn es gibt auch Prozesse, die nicht mehr nötig sind. Aus Gewohnheit wird aber an ihnen festgehalten. Ein Beispiel ist die Verschlagwortung von Medien, die deutlich an Bedeutung verloren hat, weil sich das Suchverhalten der Nutzer:innen geändert hat. Auch Stellenprofile ändern sich: Eine freigewordene Stelle einer Bibliothekarin wurde nicht neu besetzt, sondern in eine Stelle für Partnerschaften und Outreach umgewandelt. So transformiert sich Stück für Stück das Aufgabenfeld von Bibliotheken.
Obwohl die Bezirksverwaltung Pankow 2021 den Klimanotstand ausgerufen hat, bleibt es weiterhin eine Herausforderung, Unterstützung aus der Verwaltung für transformatorische Maßnahmen zu bekommen. Gleichzeitig ist der Umstand des Klimanotstands ein Argument, mit dem schon viele Forderungen erreicht werden konnten. Im Kleinen, z. B. im Beschaffungswesen, hat die Bibliothek schrittweise die Grenzen verschoben und gezeigt, dass ein Agieren jenseits des „business as usual“ möglich ist. Bei größeren Veränderungen, wie Sanierungsmaßnahmen, ist aber spätestens die Politik gefragt. In diesen Fragen wurde bisher noch kein Fortschritt erzielt. Intern haben jedoch die kleinen Schritte nicht nur das Gefühl von Selbstwirksamkeit der Mitarbeiter:innen gefördert, sondern auch die Überzeugungskraft und Glaubwürdigkeit gestärkt, die langfristig auch mit Blick auf die Verwaltung eine Kraft erzeugen.
Bestimmte Dinge benötigen auch einfach Zeit und Geduld – nicht nur der Makers Space für Podcasts, der anfangs nur wenig nachgefragt war und mittlerweile immer ausgebucht ist …