Mit viel Offenheit in die nachhaltige Transformation

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Mit viel Offenheit in die nachhaltige Transformation

Museum/Ausstellung | Programm 

Museum Ludwig, Köln

Das Museum Ludwig befindet sich seit 2019 im Nachhaltigkeitsprozess. 2020 haben sie ihren ersten DNK-Bericht abgegeben und hinterfragen seitdem den Status quo. Das Team Nachhaltigkeit, das aus der Hälfte der Mitarbeiter:innen besteht, setzt Maßnahmen um und steckt sich ambitionierte Ziele. Miriam Szwast, Kuratorin und Initiatorin, gibt Einblicke in die laufenden Prozesse.

Zwischen Kölner Dom und dem Rhein ist das Museum Ludwig in einem Bau der 1980er Jahre beheimatet, in dem auch die Philharmonie, die Kunst- und Museumsbibliothek und das Filmforum NRW zu finden sind. Die Sammlung des Museums beinhaltet die wichtigsten Positionen der Moderne bis zur Gegenwartskunst.

Das Museum Ludwig versteht sich als Gemeinschaft von Lernenden, die, wie auch die Stadt Köln selbst, das große übergeordnete Ziel von Net-Zero bis 2035 erreichen möchte. Angefangen hat alles, wie bei so vielen Institutionen, mit einer Bottom-Up Bewegung, angestoßen von der Kuratorin Miriam Szwast. Mittlerweile spielt Nachhaltigkeit auf allen Ebenen eine Rolle. Der Prozess des Museum Ludwig macht Mut und zeigt, was alles möglich ist, wenn Mitarbeiter:innen und Leitung an einem Strang ziehen.

Konkrete Ziele und Raum für Experimente

2019 gaben Fridays for future den letzten Anstoß für Miriam Szwast, das Thema Nachhaltigkeit erstmalig im Jour fixe anzusprechen. Seitdem ist viel passiert. Es gibt ein Team Nachhaltigkeit, das aus der Hälfte aller Mitarbeiter:innen besteht und sich regelmäßig trifft. Aus den Treffen entstehen To-Dos, die jede Abteilung für sich weiterführt.

„Ich glaube, es hilft sehr, wenn man Prozesse, die jeden Tag stattfinden, von denen man aber im Alltag nichts mitbekommt, kennenlernt. Das schafft ein neues Verständnis für die Zusammenhänge unserer Abläufe.“

Grundlage für die Ausarbeitung einer Strategie war der erste Deutsche Nachhaltigkeitskodex-Bericht, den das Museum 2020 abgegeben hat. Wo stehen wir? Wo wollen wir hin? Das Erstellen des Berichts war ein sehr lehrreicher Prozess, der viele Handlungsfelder aufgezeigt hat, an denen jetzt gearbeitet wird und für die ganz konkrete Ziele gesteckt wurden. Gemeinsam hat sich das Team an das breite Feld der Nachhaltigkeit herangetastet und viel Raum für Experimente und eine spielerische Auseinandersetzung gelassen. „Ich glaube, es hilft sehr, wenn man Prozesse, die jeden Tag stattfinden, von denen man aber im Alltag nichts mitbekommt, kennenlernt. Das schafft ein neues Verständnis für die Zusammenhänge unserer Abläufe“ berichtet Miriam Szwast. Wie funktionieren wir eigentlich? Welche Prozesse laufen hier ab und wie zusammen? Die Offenheit zu haben, zu hinterfragen, ist schon ein erster Erfolg. Deswegen haben alle Kolleg:innen zu Beginn des Prozesses beispielsweise eine Müll-Ralley durchs Haus gemacht, um zu sehen, welcher Müll wo anfällt und was danach damit passiert. „Das bewirkte unglaublich viel bei uns und hat dazu noch Spaß gemacht.“ Mülltrennung einzuführen, war danach kein Problem mehr. Mit Unterstützung von der Stadt Köln haben sie nun auch angefangen, sich mit dem Konzept Zero Waste auseinanderzusetzen.

Nach kurzer Zeit gibt es schon einige Erfolgserlebnisse

Nach zwei Jahren gibt es einige Maßnahmen, die bereits umgesetzt wurden. Es wurde eine Klimabilanz erstellt, um einen genauen Überblick über die CO2-Emissionen zu haben und zielgerichtet vorgehen zu können. Zwei Dienstfahrräder, davon ein Lastenrad, wurden angeschafft und können nun für kleine Besorgungen in der Stadt genutzt werden. Für alle größeren Transporte gibt es zudem einen Hybrid-Transporter. Da es nur sehr wenige Fahrradständer um das Museum herumgab, wurden nach Absprache mit der Stadt zusätzliche installiert und weitere sind in Planung. Derzeit werden ebenso Fördermittel beantragt, um eine Stelle für eine:n Klimaschutzmanager:in zu schaffen. Durch die Unterstützung dieser Person soll in ein bis zwei Jahren EMAS, ein Umweltmanagementsystem, eingeführt werden, das nicht nur für das Museum Ludwig, sondern für die gesamte Liegenschaft implementiert werden soll.

Wo Betriebsökologie und soziale Säule ineinandergreifen

Früh hat der begonnene Prozess gezeigt: Veränderung kostet Kraft. Deswegen ist für das Museum Ludwig neben der ökologischen Perspektive auch die soziale Säule sehr wichtig.  Denn die Kommunikation untereinander ist genauso bereichernd wie herausfordernd, da sich alle auf sehr viel Neues einlassen müssen. Auch brauchen Veränderungen länger und sind komplexer als vorerst gedacht. Das erfordert einen langen Atem und Geduld. Daher gibt es Coachings für die Mitarbeiter:innen, um sie durch den Organisationsentwicklungsprozess zu begleiten. Neben der Stelle „Klimaschutzmanager:in“ ist außerdem auch eine Stelle für Human Ressources in Planung, die bis 2025 besetzt wird und zusätzlich unterstützen soll.

„Durch den DNK (Deutscher Nachhaltigkeitskodex) haben wir festgestellt, dass wir auch im Bereich der Mitarbeiter:innengesundheit noch mehr tun können.“

„Durch den DNK haben wir festgestellt, dass wir auch im Bereich der Mitarbeiter:innengesundheit noch mehr tun können.“ Um sich dafür mehr zu sensibilisieren haben sie im Rahmen einer Ausstellung eine wöchentliche geführte Meditation angeboten, bei der alle Mitarbeiter:innen mitmachen konnten. Auch Workshops zu diskriminierungskritischem Arbeiten tragen dazu bei, die Selbstreflexion zu stärken und Verhaltensweisen zu überdenken.

Von positiven und negativen Reaktionen

Auf der programmatischen Ebene war die von Miriam Szwast kuratierte Ausstellung „Grüne Moderne. Die neue Sicht auf Pflanzen“ die erste nachhaltige Ausstellung, die sowohl von der Thematik als auch der Ausstellungsgestaltung neu gedacht wurde: „Wie ist das, wenn wir auf Wandfarben und die übliche Ausstellungsarchitektur verzichten?“, so haben sie sich immer weiter voran getastet, erzählt Miriam. Leider stieß das extern nicht bei allen Personen(kreisen) auf positive Resonanz. Die Angst, der Glamour der Kunstwelt könnte dadurch verloren gehen, war bei manchen groß. „Manche Menschen gerieten in eine starke Abwehrhaltung.“ Das löst Druck aus, den man erstmal lernen muss, auszuhalten. Der starke Zusammenhalt im Haus und die starke Haltung und Rückendeckung der Leitung waren dabei sehr hilfreich. Insgesamt war die Ausstellung aber ein voller Erfolg. „Wir haben viele neue und junge Menschen erreicht. Es waren Menschen in der Ausstellung, die zuvor noch nie bei uns im Museum gewesen waren. Das war unglaublich schön und hat uns Mut gemacht. Und es hat uns gezeigt, dass die Veränderungen in die richtige Richtung gehen.“

„Wir haben viele neue und junge Menschen erreicht.”

Nach dem Ende der Ausstellung hat das Museum einen Spenden-Flohmarkt „Recycle the exhibit, recycle the stage“ organisiert, bei dem ausgediente Ausstellungsmaterialien erstanden werden konnten – inklusive frischer Waffeln und Musik. Auch die Oper und das Schauspiel Köln haben mitgemacht und nicht mehr benötigte Kostüme und Requisiten beigesteuert. So macht Kreislaufwirtschaft Spaß! Bei super Stimmung war alles nach wenigen Stunden ausverkauft. Die Erlöse gingen an die Kölner Tafel und ein Aufforstungsprojekt in Köln.

Es geht immer weiter in die richtige Richtung

Eine große Herausforderung für die Zukunft ist, die Anzahl der Ausstellungseröffnungen pro Jahr zu reduzieren. Nur mit weniger Tempo können sie tatsächlich auch nachhaltig agieren. „Das ist einer der sensibelsten Punkte gerade. Weil es sehr an die Substanz geht, […], wie wir unseren Erfolg messen. Wie viel mediale Aufmerksamkeit wir bekommen usw.“ Von der Direktion gibt es ein klares Zeichen, dass weniger Ausstellungen und längere Ausstellungszeiträume gewünscht sind. „Aber das ist ein Schmerzpunkt, an dem wir noch arbeiten.“ Denn die Angst, dass die Presse den Dauerausstellungen oder der hauseigenen Sammlung keine oder weniger Aufmerksamkeit schenkt, ist noch oft berechtigt. Da braucht es ein Umdenken. Trotzdem gibt es auch hier bereits kleine Erfolgserlebnisse: Die kürzlich neu gehängte Sammlungspräsentation der Zeitgenössischen Kunst wurde medial sehr gut aufgenommen. „Unsere Kollegin Barbara Engelbach hat das wunderbar kuratiert, wir waren in der Tagesschau… es hat funktioniert. Und ich hoffe das ist einfach wieder ein Schritt weiter zum gemeinsamen Ziel.“

Autor:in: Teresa Trunk
Foto: Leonie Braun
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