Nachhaltigkeit muss einfach sein

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Nachhaltigkeit muss einfach sein

Musik/Festival | Strategie 

Tollwood, München

Nachhaltigkeit ist beim Tollwood München seit der ersten Festivalausgabe 1988 ein fester Bestandteil. Daniela Schmid, Mitarbeiterin im Umweltteam und Projektleiterin für Mensch und Umwelt, gibt Einblicke in die vielfältigen Handlungsfelder des Kultur- und Umweltfestivals und erzählt von ihren Learnings.

Das Tollwood Festival in München gibt es bereits seit 35 Jahren. Das mittlerweile zweimal im Jahr stattfindende Kultur- und Umweltfestival (Sommer/Winter) ist seitdem zu einer Institution in München geworden und wird jährlich von rund 1,5 Mio. Menschen besucht. Besucher:innen bekommen ein vielfältiges Programm geboten: Klassisches Kulturprogramm wie Musik-Acts, Theater-Performances, einen Markt der Ideen mit 160 internationalen Aussteller:innen, 50 Stände mit Bio-Speisen aus der ganzen Welt und einen Non-Profit Bereich, in dem NGOs, v.a. aus dem Umwelt- und sozialen Bereich, ihre Arbeit präsentieren können.

Nachhaltigkeit ist Teil der DNA

„Nachhaltigkeit ist schon von Anfang an wesentlicher Bestandteil des Tollwood und ist fest in den Festivalstrukturen verankert“, erzählt Daniela Schmid, Projektleiterin für „Mensch und Umwelt“. Eine eigene Umweltabteilung sorgt dafür, dass Nachhaltigkeit in allen Bereichen, von den Konzertveranstaltungen bis hin zur Mülltrennung vor Ort, mitgedacht wird. Recherche und Konzeptentwicklung sind Aufgabe der Umweltabteilung. „Die ganze Vorarbeit kann man nicht zusätzlich zur eigentlichen Aufgabe machen“, sagt Schmid, die Teil des vierköpfigen Umweltteams ist. Eine:n Ansprechpartner:in aus jedem Gewerk trägt das Wissen an das eigene Team weiter. So greift am Ende alles ineinander. Durch die tägliche Auseinandersetzung mit den verschiedensten Nachhaltigkeitsthemen hat auch das ganze Tollwood-Team viel Wissen und Erfahrungen gesammelt. Alle haben ein starkes Commitment, immer besser zu werden und an den Stellschrauben zu drehen. „Wir haben eine sehr hohe intrinsische Motivation für die Themen“, erzählt Daniela Schmid. Das hilft ihnen auch dabei, die Aussteller:innen und Gastronom:innen mit an Bord zu holen. „Eine wichtige Aufgabe von uns ist es, alle mitzunehmen und anzuleiten, die Vorgaben von Tollwood einzuhalten und umzusetzen. Wir haben die Erfahrung gemacht, dass Nachhaltigkeit möglichst einfach für alle Beteiligten sein muss. Nur so ziehen wir alle mit Lust und Engagement an einem Strang.“ Deswegen versteht sich Tollwood zum Teil auch als Dienstleister. Mit Workshops und konkreten Hilfestellungen unterstützt das Team alle Beteiligten, ins nachhaltige Handeln zu kommen.

„Wir haben die Erfahrung gemacht, dass Nachhaltigkeit möglichst einfach für alle Beteiligten sein muss. Nur so ziehen wir alle mit Lust und Engagement an einem Strang.“

Seit dem ersten Festival 1988 hat sich viel getan und Nachhaltigkeit kann immer umfassender umgesetzt werden. In manchen Bereichen ist es erst seit einigen Jahren überhaupt möglich, nachhaltig zu sein. „Früher gab es z. B. noch keine Bio-Zertifizierung für viele Lebensmittel oder sie waren nicht in der Menge verfügbar, wie wir sie brauchten“, erinnert sich Daniela Schmid. „Da hat sich der Markt über die Jahre auch verändert.“ Mittlerweile sind alle Speisen der 50 Gastronomiestände Bio-zertifiziert und es gibt nur noch sehr wenige Ausnahmen, z. B. bei bestimmten Gewürzen, die es noch nicht in nachgewiesener Bioqualität gibt. Hier arbeiten Umwelt- und Gastro-Abteilung eng zusammen. Auch im Bereich Energie hat sich viel getan. Tollwood bezieht für die Festivals zu 100 % Ökostrom für den gesamten Bedarf der Zelte, Bühnen und der Gastronomie. Für ihre Klimabilanz macht das einen enormen Unterschied, denn allein durch das Angebot von Bio-Lebensmitteln statt konventionellen Produkten sparen sie enorme Menge CO₂ ein. Auch im Bereich der Mobilität schafft Tollwood Anreize, um den Gästen einen klimafreundlichen Weg zum Gelände zu ermöglichen: Im Sommer gibt es einen Shuttle-Bus der städtischen Verkehrsgesellschaft, der die Besucher:innen bequem zum Festival fährt. Alle Radfahrer:innen können ihr Fahrrad in einer kleinen Werkstatt auf Vordermann bringen lassen, während sie über das Festival schlendern.

Es ist ein Geben und Nehmen

Am Thema Müll hat das Team schon besonders viel geschraubt. „Während dem Festival fällt eine große Menge Müll an und für eine wirklich funktionierende Mülltrennung muss man ein gut durchdachtes Konzept haben,“ sagt Daniela Schmid. Sonst landet der Müll am Ende doch am Boden. Mittlerweile haben sie sowohl für Besucher:innen als auch die Stand-Betreiber:innen ein erfolgreiches System entwickelt. Da der Abfall sogar sortenrein getrennt und entsorgt wird, gibt es während des Festivalbetriebs neben dem Gelände einen eigens eingerichteten Wertstoffhof. „Das fordern wir auch von den Standbetreiber:innen“, erzählt Daniela Schmid. „Müll zu trennen muss deswegen vor allem einfach sein!“ Die Stände bekommen daher die entsprechenden Müllsäcke mit Kennzeichnungen und Aufkleber direkt ausgehändigt. Am Abend wird der Abfall durch Tollwood-Mitarbeiter:innen abgeholt und zum Wertstoffhof gebracht. „Es ist ein Geben und Nehmen. Unsere Standbetreiber:innen müssen den Abfall trennen, aber dafür holen wir den Müll am Stand ab“, sagt sie. Das Konzept geht auf.

„Das möchten wir nicht missen, da wir tolle Ereignisse schaffen, die uns auch kulturell als Gesellschaft helfen, Gestaltungspotential zu entfalten, uns Ideen mitgeben, uns inspirieren.“

Den CO₂-Fußabdruck so klein wie möglich zu halten, ist Tollwood seit Beginn ein Anliegen. Um den Überblick zu behalten, sammelt das Team entsprechende Daten, die sie regelmäßig auswerten. Für die Reisen aller Künstler:innen erfassen sie z. B. die Emissionen vom Transport des Equipments, der Tourtrucks und der An- und Abreise der Künstler:innen. Die Datenabfrage ist schon ganz selbstverständlich „Wir bekommen dazu sehr viele positive Rückmeldungen. Die Künstler:innen finden es toll, dass diese Themen mitgedacht werden“, berichtet Schmid. Beim Thema Reisen stoßen sie in ihrem Handlungsspielraum aber auch am schnellsten an (gewisse) Grenzen, „weil es da wirklich ans Eingemachte geht.“ Das Tollwood ist ein Festival mit internationalem Charakter, bei dem Künstler:innen wie Sting, ZAZ und Artisten aus verschiedenen Ländern auf der Bühne stehen. „Das möchten wir nicht missen, da wir tolle Ereignisse schaffen, die uns auch kulturell als Gesellschaft helfen, Gestaltungspotential zu entfalten, uns Ideen mitgeben, uns inspirieren.“ Diese Emissionen werden über Atmosfair kompensiert.

Bis ins kleinste Detail

Außerdem dreht das Team an vielen anderen Stellschrauben weiter. Schon heute setzt Tollwood auf Mehrweggeschirr. Künftig sollen auch die Ausnahmen wegfallen. So werden Pommes noch in einer Papptüte ausgegeben. „Da möchten wir noch besser werden“, sagt Daniela Schmid. „Denn auch wenn wir sortenrein trennen, die Ressource wurde trotzdem für die Herstellung verbraucht.“ Ebenfalls möchten sie die Waren, die auf dem Markt der Ideen angeboten werden, zukünftig noch strenger in Bezug auf Rohstoffe und Fairness in der Lieferkette auswählen. „Wir achten schon heute sehr genau darauf. Wir wollen aber jetzt noch weiter vorangehen.“

„Wir bekommen dazu sehr viele positive Rückmeldungen. Die Künstler:innen finden es toll, dass diese Themen mitgedacht werden“

Voneinander lernen

Tollwood setzt sich nicht nur beim Festival für eine nachhaltige Welt ein, sondern engagiert sich auch darüber hinaus. Kooperationen sind deswegen ein integraler Teil der Arbeit. Mit der Landeshauptstadt München haben sie 2006 beispielsweise das Projekt „Bio für Kinder“ gegründet und helfen seitdem Kitas und Schulen auf eine nachhaltige Essensversorgung umzustellen. Auch mit dem Bund Naturschutz, der Münchner Nachhaltigkeitsinitiative oder Ökoanbauverbänden (u. a.) haben sie bereits Projekte realisiert. „Uns ist es wichtig, Wissen zu vermitteln und Menschen zu berühren und zu begeistern. […] Und wir lernen natürlich auch immer dazu. Es macht einfach Spaß, gemeinsam das Beste rauszuholen!“ Diesen Spirit spürt man und er steckt an.

Autor:in: Teresa Trunk
Foto: Ingmar Wein
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